08 - Ehrenschuld
Ryan wußte, daß das nicht stimmte. Er
war dumm genug gewesen, einen Job mit größerer Verantwortung als ihrem
anzunehmen, das war alles, größer, als er es sich je gewünscht hatte. »Es ist kein Spaß, oder?« fragte Durling, als er das Amtszimmer betrat. »Nein.« Jack setzte sich.
Der Präsident las in Gesicht und Gedanken seines Beraters gleichzeitig
und lächelte. »Also gut. Ich muß jetzt zu Ihnen sagen, entspannen Sie sich,
und Sie müssen zu mir dasselbe sagen.«
»Wenn man zu angespannt ist, ist es jedenfalls schwer, richtig zu
entscheiden«, stimmte Ryan zu.
»Ja, aber da ist noch was anderes. Wenn man nicht angespannt ist, ist es
keine wichtige Entscheidung, und sie wird auf einer niedrigeren Ebene gefällt. Die harten Nüsse kommen hierher. Darüber haben schon viele Leute nachgedacht«, sagte der Präsident. Das war eine bemerkenswert großherzige Aussage, dachte Jack, denn sie nahm ihm freiwillig etwas von der Last auf seinen Schultern ab, indem sie ihn daran erinnerte, daß er den Präsidenten schließlich nur beriet. Der Mann hinter dem antiken Eichenschreibtisch hatte Größe. Jack fragte sich, wie schwer er wohl an seiner Verantwortung zu tragen hatte und ob ihre Entdeckung überraschend gekommen war - oder vielleicht bloß als eine weitere Notwendigkeit, mit
der man fertig werden mußte.
»Okay, worum geht es?«
»Ich brauche grünes Licht von Ihnen.« Ryan erklärte Golowkos
Angebote - das erste in Moskau, das zweite erst vor wenigen Stunden - und
ihre Konsequenzen.
»Liefert uns das ein deutlicheres Bild?« fragte Durling.
»Vielleicht, aber wir wi ssen noch nicht genug.«
»Und?«
»Eine Entscheidung dieser Art geht immer an Sie«, sagte Ryan. »Warum muß ich -«
»Sir, es enthüllt die Identität von Geheimagenten und ihre
Operationsmethoden. Genaugenommen brauchen Sie wahrscheinlich die
Entscheidung nicht selbst zu treffen, aber es ist etwas, das Sie wissen
sollten.«
»Sie sind dafür?« Durling brauchte nicht zu fragen.
»Ja, Sir.«
»Können wir den Russen vertrauen?«
»Ich sagte nicht vertrauen, Mr. President. Wir haben hier ein
Zusammentreffen von Bedürfnissen und Fähigkeiten und nebenbei ein
bißchen potentielle Erpressung.«
»Machen Sie's«, sagte der Präsident, ohne lange nachzudenken.
Vielleicht zeigte das sein Vertrauen zu Ryan, indem er die Last der
Verantwortung an seinen Besucher zurückgab. Durling wartete ein paar
Sekunden, bevor er seine nächste Frage stellte. »Was haben sie vor, Jack?« »Die Japaner? Auf den ersten Blick macht es keinerlei Sinn. Ich frage
mich immer wieder, warum haben sie die U-Boote versenkt? Warum haben
sie Menschen getötet? Es gab keine Notwendigkeit für sie, diese Schwelle
zu überschreiten.«
»Warum machen sie das mit ihrem wichtigsten Handelspartner?« fügte Durling die offensichtlichste Bemerkung hinzu. »Wir hatten noch keine
Möglichkeit, es zu durchdenken, oder?«
Ryan schüttelte den Kopf. »Es ist Schlag auf Schlag gekommen. Wir
wissen noch nicht mal, was wir noch nicht wissen.«
Der Präsident legte den Kopf schief. »Was?«
Jack lächelte ein wenig. »Das sagt meine Frau gern über Medizin. Man
muß wissen, was man nicht weiß. Man muß herauskriegen, was die Fragen
sind, bevor man nach den Antworten suchen kann.«
»Wie machen wir das?«
»Mary Pat läßt ihre Leute Informationen sammeln. Wir prüfen alle
Daten, die wir haben. Wir versuchen Schlüsse aus dem, was wir wissen, zu
ziehen, Verbindungen herzustellen. Man erfährt eine Menge darüber, was
der andere zu tun versucht und wie er es anstellt. Meine Hauptfrage ist im
Augenblick, warum haben sie die beiden U-Boote versenkt?« Ryan schaute
am Präsidenten vorbei aus dem Fenster zum Washington-Denkmal, dem
stabilen weißen Marmorobelisken. »Sie haben es auf eine Art getan, von der
sie glauben, sie ließe uns einen Ausweg. Wir können erklären, es sei eine
Kollision oder so etwas gewesen ...«
»Erwarten die wirklich von uns, daß wir die Verluste einfach
hinnehmen, und ...«
»Sie haben uns die Chance gegeben. Vielleicht erwarten sie es nicht,
aber es wäre eine Möglichkeit.« Ryan schwieg einen Moment. »Nein. Nein,
so falsch können sie uns nicht einschätzen.«
»Denken Sie laut weiter«, befahl Durling.
»Wir haben die Flotte zu sehr verkleinert und ...«
»Das brauchen Sie mir wirklich nicht erst zu sagen«, kam die leicht
gereizte Antwort.
Ryan nickte und hob die Hand. »Zu spät, um sich über das Warum oder
das Wie Sorgen zu machen, ich weiß. Aber das
Weitere Kostenlose Bücher