08 - Ehrenschuld
Haar, gerade in die Abteilung gekommen, vorher acht Jahre im Außendienst. Ich habe mit ihrem Vater gearbeitet, als ich anfing. Danke, daß Sie mir Bescheid gesagt haben.«
»Wir sehen uns um halb sieben, Paul.«
»Ja.« Robberton legte sich auf der Stelle hin und sah ganz wie jemand aus, der auf Befehl einschlafen konnte. Eine nützliche Begabung, dachte Ryan.
»Was sollte das denn?« fragte Cathy, als ihr Mann wieder ins Schlafzimmer kam. Jack setzte sich aufs Bett und erklärte es.
»Cathy, äh, morgen wird dich jemand nach Johns Hopkins begleiten. Ihr Name ist Andrea Price. Sie ist vom Secret Service. Und sie wird dir folgen.«
»Warum?«
»Cathy, wir haben mehrere Probleme. Die Japaner haben unsere Marine angegriffen und ein paar Inseln besetzt. Du darfst das -«
»Sie haben ums?«
»Du darfst das niemandem erzählen«, fuhr er fort. »Verstehst du? Du darfst es niemandem erzählen, aber du triffst morgen ein paar Japaner, und wegen meines Jobs will der Secret Service jemanden in deiner Nähe haben, um ganz sicherzugehen, daß alles in Ordnung ist.« Das war nicht alles. Der Secret Service litt an Personalmangel und hatte keinerlei Scheu, die örtliche Polizei um Verstärkung zu bitten. Die Polizei von Baltimore, die die JohnsHopkins-Universität immer im Auge hatte - der Krankenhauskomplex lag nicht in der besten Gegend -, würde Miss Price wahrscheinlich einen Inspektor zur Seite stellen.
»Jack, sind wir in Gefahr?« fragte Cathy und dachte an die Vergangenheit, als sie mit Jack jr. schwanger gewesen war und die Terroristen der Ulster Liberation Army ihr Haus besetzt hatten. Sie erinnerte sich, wie erfreut sie gewesen war und welche Scham sie wegen dieser Freude empfunden hatte, als der letzte von ihnen wegen mehrfachen Mordes hingerichtet worden war, was die schlimmste und angsterfüllteste Episode ihres Lebens beendet hatte.
Jack wurde seinerseits klar, daß da noch etwas war, das sie nicht bedacht hatten. Wenn Amerika im Krieg war, stand er als Nationaler Sicherheitsberater des Präsidenten oben auf der Liste möglicher Ziele. Und seine Frau. Und seine drei Kinder. Irrational? Was am Krieg war das nicht?
»Ich glaube nicht«, antwortete er nach kurzem Zögern, »aber wir müssen vielleicht - wir kriegen vielleicht noch ein paar Leute ins Haus. Ich weiß nicht. Ich muß fragen.«
»Du sagst, sie haben unsere Marine angegriffen?«
»Ja, Schatz, aber du darfst das ...«
»Das bedeutet Krieg, nicht wahr?«
»Ich weiß es nicht, Schatz.« Er war so erschöpft, daß er dreißig Sekunden später eingeschlafen war, und sein letzter wacher Gedanke war die Erkenntnis, daß er sehr wenig von dem wußte, was er brauchte, um die Fragen seiner Frau - oder seine eigenen - zu beantworten.
Niemand schlief in Süd-Manhattan, wenigstens niemand, den man für wichtig halten konnte. Normalerweise gab es eine Nachtwache, die mit europäischen Werten handelte, den Eurodollar-Markt und die Rohstoff- und Metallmärkte beobachtete und die ganze wirtschaftliche Aktivität jenseits des Atlantiks im Auge behielt. An den meisten Tagen war es nur wie das Vorwort zu einem Buch, etwas, das der richtigen Geschichte vorausging, interessant, aber nicht entscheidend, denn die wirklich wichtigen Dinge wurden hier in New York entschieden.
Aber heute stimmte das alles nicht. Niemand konnte vorhersagen, was heute passieren würde. Heute war Europa das einzige Spielfeld, und alle Regeln waren außer Kraft gesetzt. Die Leute, die nachts hinter den Bildschirmen saßen, wurden von denen, die um acht Uhr morgens kamen, oft als zweitklassig angesehen, was so falsch wie unfair war, aber in jeder Gemeinschaft gab es interne Konkurrenz. Diesmal bemerkten die, die immer zu dieser gottlosen Zeit arbeiteten, die Anwesenheit der Leute aus den Chefetagen und fühlten sich zugleich angeregt und unbehaglich. Hier war ihre Chance, zu zeigen, was in ihnen steckte. Und ihre Chance abzustürzen, live und in Farbe.
Es begann genau um vier Uhr früh, Ostküstenzeit.
»Schatzwechsel.«
Das Wort wurde gleichzeitig in zwanzig Firmen ausgesprochen,
während die europäischen Banken, die noch immer enorme Mengen von US-Schatzwechsel als Sicherheit gegen die dortigen Wirtschafts- und Währungsprobleme hielten, mit ihnen plötzlich nicht mehr glücklich waren. Einigen erschien es seltsam, daß die Neuigkeiten vom Freitag so langsam zu den Europäern gelangt waren, aber eigentlich war das immer so, und das Geschäft lief sehr zögerlich an. Bald war klar, warum. Es gab
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