08 - Ehrenschuld
ein großes Angebot, aber kaum Nachfrage. Die Leute versuchten US-Schatzwechsel zu verkaufen, aber das Interesse an ihnen war gering. Damit fielen die Preise ebenso schnell wie das europäische Vertrauen in den Dollar.
»Das ist geschenkt, schon dreihundertzweiunddreißig runter. Was können wir tun?« Auch diese Frage wurde an mehr als einem Ort gestellt, und jedesmal war die Antwort dieselbe: »Nichts«, ein Wort, das überall mit Abscheu ausgesprochen wurde. Üblicherweise folgte noch etwas anderes, meistens eine Variante von Scheißeuropäer, je nach Ausdrucksweise des Betreffenden. Es war also wieder losgegangen, ein Run auf den Dollar. Und Amerikas wichtigste Waffe dagegen funktionierte nicht wegen eines Computerprogramms, auf das sich alle verlassen hatten. Die Schilder mit der Aufschrift »Rauchen verboten« in verschiedenen Büros wurden ignoriert. Jetzt brauchte man sich ja keine Sorgen mehr über Asche in den Anlagen zu machen, nicht? Man konnte die Scheißcomputer heute sowieso zu nichts gebrauchen. Heute war ein guter Tag für Reparaturarbeiten an der Technik, wie ein Angestellter einem Kollegen zuknurrte. Zum Glück waren nicht alle dieser Meinung.
»Okay, da hat es also angefangen?« fragte George Winston. Mark Gant fuhr mit dem Finger auf dem Bildschirm hinunter.
»Bank of China, Bank of Hongkong, Imperial Cathay Bank. Die haben vor etwa vier Monaten US-Schatzwechsel gekauft, um sich gegen den schwachen Yen abzusichern, und anscheinend sehr erfolgreich. Am Freitag haben sie alle abgestoßen und einen Haufen japanische Schatzwechsel gekauft. Alles in allem haben sie mit der ganzen Transaktion zweiundzwanzig Prozent Gewinn gemacht.«
Die waren die ersten, sah Winston, und als erste, die dem Trend folgten, sahnten sie ab. Ein Fischzug in dieser Größenordnung würde eine Menge teurer Festessen in Hongkong nach sich ziehen, und Hongkong war eine gute Stadt zum Feiern.
»Sehen Sie was Verdächtiges?« fragte er seinen Mitarbeiter mit unterdrücktem Gähnen.
Der Finanzspezialist zuckte die Achseln. Er war müde, aber daß der Boß wieder im Sattel saß, gab allen neue Energie. »Verdächtig? Es war brillant. Die haben wohl was gerochen, oder sie hatten einfach Glück.«
»Machen Sie weiter«, befahl er.
»Tja, dann fingen die anderen Banken an, dasselbe zu machen.« Die Columbus Group hatte ein paar der raffiniertesten Computerprogramme an der Wall Street, die einzelne Werte und Wertkategorien über längere Zeit verfolgen konnten, und Gant war das Inbild des Computerfreaks. Als nächstes beobachteten sie den Verkauf der restlichen US-Schatzwechsel durch andere asiatische Banken. Interessanterweise hatten die japanischen Banken langsamer reagiert, als er gedacht hätte. Es war keine Schande, hinter Hongkong zu liegen. Die Chinesen hatten Talent für so was, besonders die von den Briten ausgebildeten. Schließlich hatten die Briten das moderne Bankgeschäft weitgehend erfunden und immer noch ein gutes Händchen dafür. Aber die Japaner waren schneller als die Thailand«; dachte Winston, oder hätten es wenigstens sein sollen ...
Wieder war es Instinkt, das bloße Gefühl im Bauch eines Mannes, der das Spiel kannte: »Checken Sie die japanischen Schatzwechsel, Mark.«
Gant tippte den Befehl ein, und der schnelle Wertzuwachs des Yen war offensichtlich - so offensichtlich, daß sie ihn kaum per Computer zu verfolgen brauchten. »Ist es das, was Sie suchen?«
Winston beugte sich zum Bildschirm herunter. »Zeigen Sie mir, was die Bank of China machte, als sie abkassierte.«
»Tja, sie verkauften an den Eurodollar-Markt und kauften Yen. Ich meine, das ist das übliche Spiel ...«
»Aber sehen Sie mal nach, von wem sie Yen kauften«, schlug Winston vor.
»Und was sie dafür zahlten ...« Gant wandte den Kopf und sah seinen Boß fragend an.
»Wissen Sie, warum ich hier immer ehrlich war, Mark? Warum ich nie was auf eigene Rechnung gemacht habe, nie, kein einziges Mal, nicht mal, wenn ich was Todsicheres hatte?« fragte George. Es hatte natürlich mehr als einen Grund gegeben, aber er wollte die Sache nicht zu schwierig machen. Er preßte den Finger auf den Bildschirm und hinterließ tatsächlich einen Fingerabdruck. Die Symbolik brachte ihn fast zum Lachen. »Deshalb.«
»Eigentlich bedeutet das gar nichts. Die Japaner wußten, daß sie es noch weiter hochkitzeln konnten und ...« Gant blickte noch nicht durch, wie Winston sah. Man mußte es ihm in seiner eigenen Sprache sagen.
»Suchen Sie den Trend, Mark,
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