08 - Ehrenschuld
daß die Gefahren, die sie fürchteten, sich verringerten. Sie waren verwirrt, weil sie nicht verstanden, was los war. Sie waren wütend, weil ihr Schiff beschädigt worden war, und mußten inzwischen wissen, daß zwei U-Boote gesunken waren. Obwohl die da oben sich alle Mühe gegeben hatten, die genaue Art des Verlusts zu vertuschen, war es schwer, auf Schiffen Geheimnisse zu wahren. Funker fingen sie auf, Boten überbrachten sie und Stewards bekamen mit, was Offiziere sagten. Die John Stennis hatte fast sechstausend Mann an Bord, und die Tatsachen gingen irgendwo zwischen den Gerüchten verloren, aber früher oder später kam die Wahrheit ans Licht. Das Ergebnis war vorhersehbar: Wut. Sie gehörte zum Soldatenleben. Mochten die Matrosen auch noch so sehr über die Quatschköppe an Land herziehen - sie waren Brüder (und inzwischen auch Schwestern), Kameraden, denen sie Loyalität schuldeten.
Aber wie? Was würden ihre Befehle sein? Wiederholte Anfragen an den Oberbefehlshaber der Pazifikflotte waren unbeantwortet geblieben. Mike Dubros Flugzeugträgerverband drei hatte nicht den Befehl bekommen, mit voller Kraft in den Westpazifik zurückzufahren, und das war völlig rätselhaft für ihn. War das nun ein Krieg oder nicht? fragte Sanchez den Sonnenuntergang.
»Also, wie haben Sie davon erfahren?« fragte Mogataru Koga. Ungewöhnlicherweise trug der frühere Ministerpräsident einen traditionellen Kimono, nun, da er zum ersten Mal seit dreißig Jahren wieder Freizeit hatte. Aber er hatte die Einladung rasch ausgesprochen und wortlos zehn Minuten zugehört.
Kimura schaute nieder. »Ich habe viele Kontakte, Koga-san. In meiner Position muß ich das.«
»Genau wie ich. Warum hat man mir nichts gesagt?« »Sogar innerhalb der Regierung hat es nicht jeder gewußt.« »Sie erzählen mir nicht alles.« Kimura fragte sich, wie Koga das wissen konnte, ohne zu merken, daß ein einziger Blick in den Spiegel genügen würde. Den ganzen Nachmittag hatte er an seinem Schreibtisch so getan, als arbeite er, hatte aber nur auf die Papiere vor sich gestarrt, und jetzt konnte er sich an kein einziges Dokument erinnern. Immer dieselben Fragen. Was tun? Wem davon erzählen? Wen um Rat fragen?
»Ich habe Informationsquellen, die ich nicht preisgeben darf, Kogasan.« Im Augenblick akzeptierte sein Gastgeber das mit einem Kopfnicken.
»Sie erzählen mir also, wir haben Amerika angegriffen und Atomwaffen gebaut?«
Ein Nicken. »Hai.«
»Ich wußte, daß Goto ein Narr ist, aber ich hielt ihn nicht für wahnsinnig.« Koga überdachte einen Moment lang seine Worte. »Nein, ihm fehlt die Vorstellungskraft eines Wahnsinnigen. Er ist immer Yamatas Schoßhund gewesen, nicht wahr?«
»Raizo Yamata war immer sein ... sein ...«
»Gönner?« fragte Koga sarkastisch. »Das ist der höfliche Ausdruck dafür.« Dann schnaubte er, blickte weg, und sein Ärger hatte nun ein neues Ziel. Genau das, was du verhindern wolltest. Aber es ist dir nicht gelungen, oder?
»Goto sucht oft seinen Rat, jawohl.«
»Also, was jetzt?« fragte er einen offensichtlich ratlosen Mann. Die Antwort war völlig vorhersehbar.
»Ich weiß es nicht. Die Sache ist zu groß für mich. Ich bin Beamter. Ich mache keine Politik. Ich habe jetzt große Angst um uns und weiß nicht, was ich tun soll.«
Koga gelang ein ironisches Lächeln, und er goß seinem Gast noch etwas Tee ein. »Das gleiche könnten Sie von mir sagen, Kimura-san. Aber Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet. Auch ich habe noch Kontakte. Ich erfuhr letzte Woche nachträglich von den Aktionen gegen die U.S. Navy. Aber ich habe nichts von den Atomwaffen gehört.« Dieses Wort nur auszusprechen machte den Raum für beide Männer kälter, und Kimura wunderte sich, daß der Politiker so ruhig reden konnte.
»Unser Botschafter in Washington erzählte es den Amerikanern, und ein Freund im Außenministerium ...«
»Auch ich habe Freunde im Außenministerium«, sagte Koga und nippte an seinem Tee.
»Mehr kann ich nicht sagen.«
Die Frage kam überraschend sanft. »Haben Sie etwa mit Amerikanern gesprochen?«
Kimura schüttelte den Kopf. »Nein.«
Der Tag begann gewöhnlich um sechs, aber das machte es nicht einfacher, dachte Jack. Paul Robberton hatte die Zeitungen reingeholt und die Kaffeemaschine angemacht, Andrea Price half Cathy mit den Kindern. Zwei Leibwächter im Haus - der Secret Service dachte also, es sei Krieg. Als nächstes rief er das Büro an, und eine Minute später begann sein STU-6 die morgendlichen
Weitere Kostenlose Bücher