08 - Ehrenschuld
seinen freien Fall fortsetzte.
»Wann öffnen die europäischen Märkte?« In der Aufregung des
Augenblicks hatte er es vergessen.
»London ist neun Stunden nach uns, Deutschland und Holland acht.
Heute nachmittag um vier«, antwortete der Mann am anderen Ende der
Leitung. »Unsere Leute haben ihre Anweisungen.« Und die waren deutlich:
die neue Stärke ihrer Währung ausnutzen und so viele europäische Aktien
wie möglich aufkaufen, so daß Japan am Ende der finanziellen Panik, in
zwei oder drei Jahren, völlig in die europäische Wirtschaft eingebunden
sein würde, ein so zentraler Teil von ihr, daß eine Trennung erneut einen
finanziellen Kollaps heraufbeschwören würde. Und das würden sie nicht
riskieren, nicht nach der Erholung von der schlimmsten Wirtschaftskrise
seit drei Generationen und nachdem Japan so uneigennützig mitgeholfen
hatte, dreihundert Millionen Europäern ihren Wohlstand wiederzugeben. Es
war besorgniserregend, daß die Amerikaner einen Plan hinter den
Ereignissen vermuteten, aber Yamata-san hatte sie beruhigt, daß keine
Unterlagen mehr existieren konnten - war das nicht das Meisterstück des
ganzen Unternehmens, die Vernichtung der Unterlagen und ihre Ersetzung
durch ein Chaos? Firmen konnten nicht ohne genaue finanzielle Unterlagen
ihrer Transaktionen arbeiten, und wenn diese fehlten, blieben sie einfach
stehen. Die Unterlagen wiederherzustellen würde Wochen oder Monate
dauern, dessen war Matsuda sicher, und diese Phase der Lähmung würde
Japan - genauer, ihm und den anderen zaibatsu erlauben, abzukassieren,
zusätzlich zu den brillanten strategischen Schachzügen, die Yamata mit
Hilfe ihrer Regierung ausgeführt hatte. Die zusammenhängende Art des
Plans war der Grund dafür, daß alle seine Kollegen ihn unterstützt hatten. »Es ist wirklich unwichtig, Kozo. Wir haben auch Europa abstürzen
lassen, und wir haben das einzige noch flüssige Kapital auf der Welt.«
»Gut gemacht, Boß«, sagte Ryan, der im Türrahmen lehnte.
»Wir haben noch viel zu tun«, sagte Durling, stand auf und verließ das
Oval Office, bevor er mehr sagte. Präsident und Nationaler
Sicherheitsberater gingen ins eigentliche Weiße Haus, an den Technikern
vorbei, die als einzige hineingelassen worden waren. Es war noch nicht die
Zeit für Reporter.
»Seltsam, wie philosophisch das alles ist«, sagte Jack, als sie den
Fahrstuhl zu den Wohnräumen nahmen.
»Metaphysik, wie? Sie waren doch mal auf einer Jesuitenschule, oder?« »Auf dreien sogar. Was ist Realität?« fragte Jack rhetorisch. »Für sie ist
die Realität Elektronen und Computerbildschirme, und wenn ich eins an der
Wall Street gelernt habe, dann ist es, daß sie von Investitionen keinen
blassen Schimmer haben. Außer Yamata anscheinend.«
»Tja, der hat abgesahnt, was?«
»Er hätte die Unterlagen in Ruhe lassen sollen. Wenn er uns im freien
Fall gelassen hätte ...« Ryan zuckte die Achseln. »Es wäre einfach
weitergegangen. Es ist ihm nicht in den Sinn gekommen, daß wir uns nicht
an seine Regeln halten würden.« Und das würde der Schlüssel zu allem
sein, dachte Jack. Die Rede des Präsidenten war eine gute Mischung aus
Gesagtem und Ungesagtem gewesen und präzise auf ihr Ziel abgestimmt.
Eigentlich war es ihre erste Aktion in psychologischer Kriegsführung
gewesen.
»Die Presse kann nicht ewig ruhig bleiben.«
»Ich weiß.« Ryan wußte sogar, wo das Leck anfangen würde, und der
einzige Grund, warum es noch nicht begonnen hatte, war das FBI. »Aber
wir müssen sie noch ein bißchen länger hinhalten.«
Es fing behutsam an, nicht so sehr als Teil irgendeines Operationsplans, sondern als Vorbereitung zu einem. Vier B-1B-Lancer-Bomber starteten sondern als Vorbereitung zu einem. Vier B-1B-Lancer-Bomber starteten Tankflugzeugen. Das spezielle Zusammentreffen von Längengrad und Jahreszeit garantierte Dunkelheit. Ihre Bombenschächte waren mit Treibstofftanks statt mit Waffen ausgerüstet. Jede Maschine hatte vier Mann Besatzung sowie Pilot und Kopilot plus zwei Radartechniker.
Der Lancer war eine schlanke Maschine, ein Bomber mit dem Steuerknüppel eines Kampfflugzeugs statt der konventionelleren Steuergabel, und Piloten, die beides geflogen hatten, sagten, die B-1B fliege sich wie eine etwas schwerere F-4 Phantom, wobei größeres Gewicht und seine Ausmaße dem Bomber mehr Stabilität gaben, was diesmal einen ruhigeren Flug bedeutete. Im Moment flog die gestaffelte Formation der sechs Maschinen auf der internationalen Luftverkehrsroute R-220 und
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