08 - Ehrenschuld
hielt untereinander den Abstand, den man von Zivilmaschinen erwartete.
Tausend Meilen und zwei Stunden später, als sie Shemja überflogen und den Radarbereich der Bodenstation verließen, drehten die sechs Maschinen kurz nach Norden ab. Die Tankflugzeuge flogen konstant, während die Bomber sich einer nach dem anderen daruntersetzten, um Treibstoff zu übernehmen, was jedesmal etwa zwölf Minuten dauerte. Danach nahmen die Bomber wieder südwestlichen Kurs und die Tankflugzeuge landeten in Shemja, um ihre eigenen Tanks aufzufüllen.
Die vier Bomber gingen auf fünfundzwanzigtausend Fuß herunter, was niedriger war als der übliche Zivilflugverkehr und ihnen mehr Bewegungsfreiheit gab. Sie blieben weiter eng an der R-220, der westlichsten kommerziellen Flugroute, und streiften dabei die Halbinsel Kamtschatka.
Hinten wurden die Systeme eingeschaltet. Obwohl sie als Bomber entworfen worden war, erfüllte die B-1B viele Funktionen, eine davon war die elektronische Aufklärung. Der Rumpf jeder Militärmaschine ist mit unzähligen kleinen Auswüchsen besetzt, die aussehen wie Fischflossen. Diese Objekte sind stets Antennen irgendwelcher Ar t, und die elegante Verkleidung hat nur den Zweck, den Luftwiderstand zu verringern. Der Lancer hatte viele davon, die zum Empfang von Radar- und anderen elektronischen Signalen entworfen waren und diese an die Geräte im Inneren zur Analyse weitergaben. Ein Teil wurde sofort von der Crew erledigt. Es ging darum, daß der Bomber das feindliche Radar abhören sollte, um es besser umgehen und sein Ziel erreichen zu können.
Am Identifikationspunkt, etwa dreihundert Meilen außerhalb der japanischen Luftkontrollzone, bildeten die Bomber eine Patrouillenkette mit ungefähr fünfzig Meilen Abstand zwischen den einzelnen Maschinen und gingen auf zehntausend Fuß herunter. Die Besatzungen rieben sich die Hände, zogen die Gurte fester und begannen sich zu konzentrieren. Das Reden im Cockpit bezog sich nur noch auf das technisch Notwendige, und die Tonbänder wurden eingeschaltet. Von der Satellitenaufklärung wußten sie, daß fast ständig japanische E-767-Frühwarnflugzeuge in der Luft waren, und vor diesen hatten die Bomberbesatzungen am meisten Respekt. Da die E-767 hoch flogen, konnten sie weit sehen. Da sie beweglich waren, konnten sie äußerst effizient auf Bedrohung reagieren. Das schlimmste war, daß sie stets im Verbund mit Kampfflugzeugen operierten, und in Kampfflugzeugen saßen Augen und hinter den Augen Gehirne, und Waffen mit Gehirnen waren die bedrohlichsten überhaupt.
»Okay, da ist das erste«, sagte einer der Radartechniker. Es war nicht wirklich das erste. Zur Übung hatten sie ihre Geräte mit Hilfe des russischen Luftabwehrradars eingestellt, aber zum ersten Mal in der kollektiven Erinnerung aller sechzehn Flieger waren es nicht russische Radars und Kampfflugzeuge, die ihnen Sorgen machten. »Niederfrequenz, fest, bekannter Standort.«
Sie empfingen das, was die Elektronikleute oft »Fusseln« nannten. Das betreffende Radar war unter dem Horizont und zu weit weg, um ihre für Radar halb unsichtbare Maschine zu bemerken. So wie man jemanden, der eine Taschenlampe hielt, sehen konnte, bevor das Licht einen selbst verriet, war es auch beim Radar. Der starke Sender war ebenso ein Warnlicht für die unerwünschten Gäste wie ein Ausguck für seine Besitzer. Standort, Frequenz, Puls und geschätzte Kraft des Radars wurden notiert und eingegeben. Ein Bild auf dem Schirm des Radaroffiziers zeigte die Reichweite dieser Anlage. Das gleiche Bild sah der Pilot auf seinem Schirm, mit rot markierter Gefahrenzone. Er würde in sicherer Entfernung davon bleiben.
»Das nächste«, sagte der Radaroffizier. »Mann, ist das ein Kraftpaket. Dieses ist in der Luft. Muß eines von ihren neuen sein. Bewegt sich ganz klar von Süd nach Nord, Kurs zwei-null-zwei.«
»Verstanden«, antwortete der Pilot ruhig, während seine Augen den dunklen Himmel absuchten. Der Lancer flog zwar gerade mit Automatik, aber seine rechte Hand war nur Zentimeter vom Knüppel entfernt, jederzeit bereit, den Bomber nach links zu reißen, abzutauchen und mit Vollgas zu verschwinden. Irgendwo da draußen zu seiner Rechten waren Kampfflugzeuge, vermutlich zwei F-15 Eagle, aber die würden in der Nähe der E-767 bleiben.
»Noch eines, eins-neun-fünf, gerade aufgetaucht ... andere Frequenz und ... Moment«, sagte der Radarmann. »Okay, Frequenzwechsel. Es ist jetzt wahrscheinlich über dem Horizont.«
»Kann es
Weitere Kostenlose Bücher