08 - Ehrenschuld
Fluchtmanöver.
»Nein, Sir. Ich bekomme alle sechs Sekunden einen Abtaststrahl, aber wir werden noch nicht elektronisch angepeilt.«
»Ich glaube nicht, daß sie uns so sehen«, dachte der Pilot laut nach.
»Wenn ja, können wir uns mit Karacho absetzen.« Der Kopilot bewegte nervös die Finger und hoffte, sein Optimismus sei gerechtfertigt.
Es konnte keine Vorwarnung geben. Die Jäger waren über den Wolken. Unter diesen Umständen war der Abstieg durch die Wolken hindurch riskant. Die Befehle waren eine kleine Enttäuschung nach all dem Training, der Vorbereitung und einer langen, öden Nacht des Patrouillierens. Kami zwei wechselte die Frequenz und peilte alle drei gegnerischen Maschinen direkt elektronisch an.
»Sie peilen uns an«, gab der Radarmann sofort weiter. »Frequenzwechsel, starke Peilung auf dem Q-Band.«
»Vermutlich haben sie uns gerade gesehen.« Das war logisch, oder? Sobald sie eine Annäherung bemerkten, würden sie versuchen, den Kontakt zu verstärken. Es gab ihm noch etwas mehr Zeit zum Arbeiten. Er würde noch ein paar Minuten weiterfliegen, dachte der Oberst, um einfach mal zu sehen, was passierte.
»Er dreht nicht ab«, sagte der Hauptmann. Er hätte sofort abdrehen sollen, nicht? fragten sich alle. Es konnte nur einen Grund geben, der dagegen sprach, und der daraus folgende Befehl war eindeutig. Kami zwei wechselte wieder die Frequenz auf Feuerkontrolle, und ein Eagle schoß zwei radargelenkte Raketen ab. Nördlich davon war ein anderer Jäger noch etwas zu weit von seinem Ziel entfernt. Sein Pilot beschleunigte, um das zu ändern.
»Wir sind im Zielradar!«
»Links ausweichen.« Der Oberst bewegte den Steuerknüppel und
beschleunigte für einen Sturzflug. Eine Serie von Flammen kombiniert mit
Wolken von Stanniolstreifen wurden am Heck des Bombers ausgestoßen.
Diese stoppten fast sofort in der kalten Luft und schwebten auf einer Stelle.
Das hochentwickelte Radar der E-767 nahm sie wahr, ignorierte sie
automatisch und richtete seinen bleistiftdünnen Radarstrahl auf den Bomber, der sich weiterbewegte. Die Rakete brauchte ihm nur zu folgen. All die Jahre der Entwicklung zahlten sich jetzt aus, und die Elektroniker an Bord kommentierten stumm die unerwartete Situation. Das System war entwickelt worden, um Schutz vor den Russen zu bieten, nicht vor den
Amerikanern. Wie bemerkenswert.
»Ich werd' ihn nicht los!« Als nächstes versuchte der Techniker
Störwellen, aber der bleistiftdünne Strahl traf die Aluminiumhaut des
Lancer mit zwei Millionen Watt, und alle Störwellen waren umsonst. Die
Maschine begann steile Spiralfiguren zu fliegen. Sie wußten nicht, wo die
Raketen waren, und konnten nur tun, was im Handbuch stand, aber wie sie
etwas zu spät feststellten, hatte das Handbuch einen solchen Gegner nicht
vorausgesehen. Als die erste Rakete an ihrer rechten Tragfläche explodierte,
waren sie zu tief über dem Wasser, um mit dem Schleudersitz aussteigen zu
können.
Der zweite B-1 hatte mehr Glück. Durch einen Treffer fielen zwei
Triebwerke aus, aber auch mit halber Kraft konnte er sich so schnell von der
japanischen Küste entfernen, daß die Eagle nicht folgen konnte, und die
Crew fragte sich, ob sie wohl Shemja erreichen würden, bevor noch andere
wichtige Teile von ihrem Dreihundert-Millionen-Dollar-Flugzeug abfielen.
Die anderen Maschinen zogen sich ebenfalls zurück und hofften, daß ihnen
jemand würde erklären können, was schiefgelaufen war.
Wichtiger noch: Ein weiterer feindseliger Akt war begangen worden,
vier weitere Menschen waren tot, und ein Einlenken würde für beide Seiten
jetzt noch schwieriger werden in diesem Krieg, der keine erkennbaren
Regeln hatte.
36 / Überlegungen
Es war keine allzu große Überraschung, sagte sich Ryan, aber es wäre wenigstens ein kleiner Trost für die Familien der vier Air-Force-Offiziere. Es hätte ein einfacher, ungefährlicher Auftrag sein müssen, und das einzig Positive an dieser traurigen Angelegenheit war, daß sie etwas dazugelernt hatten. Japan hatte die besten Abfangjäger der Welt. Die würde man besiegen müssen, wenn man ihre Interkontinentalraketen ausschalten wollte
- und daran führte kein Weg vorbei. Ein beachtlicher Stapel Papiere lag auf seinem Schreibtisch. NASA-Berichte über die japanische SS-19. Beobachtungen beim Übungsschießen der Flugzeuge. Einschätzung der Fähigkeiten der Raketen. Vermutungen über die Sprengköpfe. Es waren wirklich alles nur Vermutungen. Er brauchte mehr als Vermutungen, aber so war das
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