08 - Ehrenschuld
Streitkräfte, die klassische Formel für einen endlosen Krieg.
»Jack?« fragte der Präsident erneut.
Ryan nickte langsam. »Ich glaube, es führt kein Weg daran vorbei. Begründen Sie es, wie Sie wollen. Letzten Endes kommt es aufs gleiche heraus.«
»Genehmigt.«
37 / Tiefgang
»Normalzustand« war das Wort, das verschiedene Kommentatoren durchweg benutzten, um den üblichen Wochenablauf zu beschreiben gewöhnlich in Kombination mit Adjektiven wie »unheimlich« und/oder »beruhigend«. Die politische Linke war zufrieden, daß die Regierung die Krise mit diplomatischen Mitteln zu lösen versuchte, und die Rechte war empört darüber, daß das Weiße Haus alles herunterspielte. In der Tat war es die Führungslosigkeit und das Fehlen realpolitischer Aussagen, die zeigten, daß Roger Durling ein Präsident für interne Angelegenheiten war und keine Ahnung hatte, wie man eine internationale Krise bewältigte. Der Nationale Sicherheitsberater, John P. Ryan, bekam noch mehr Kritik zu hören. Er hatte zwar beim Geheimdienst angeblich einen guten Ruf, hatte sich selbst aber bei nationalen Sicherheitsfragen nie ins Spiel gebracht und nahm daher auch jetzt keine besonders herausragende Position ein. Andere fanden seine Umsicht bewundernswert. Die Reduzierung der amerikanischen Streitkräfte, beobachteten die Experten, machte einen wirkungsvollen Gegenschlag im günstigsten Fall zu einer extrem schwierigen Angelegenheit, und obwohl die Lichter im Pentagon nachts nicht mehr ausgingen, gab es offensichtlich keinen Weg, mit der Situation auf den Marianen fertig zu werden. Deshalb sagten die Beobachter in jede Kamera, an der ein rotes Licht brannte, die Regierung wäre gut beraten, ruhig und stabil zu bleiben und ihr Bestes zu tun. Die Beschwörung des Normalzustandes war folglich nur dazu gedacht, die andauernde Schwäche der amerikanischen Position zu verbergen.
»Sie bitten uns, nichts zu tun?« fragte Golowko fassungslos.
»Es ist unser Kampf. Wenn Sie Ihren Zug zu früh machen, schreckt das
China auf, und es schreckt Japan auf.« Außerdem aber das konnte Ryan
nicht sagen -, was können Sie schon tun? Das russische Militär war in weit
schlechterem Zustand als das amerikanische. Es könnte die Luftstreitkräfte
in Ostsibirien verstärken. Eine Bewegung der Bodentruppen, um die lockere
Formation der Grenztruppen zu verstärken, könnte eine chinesische
Reaktion auslösen. »Ihre Satelliten sagen Ihnen doch dasselbe wie unsere,
Sergej. China macht nicht mobil.«
»Noch nicht.« Es lag Schärfe in den beiden Worten.
»Stimmt. Noch nicht. Und wenn wir unsere Karten richtig ausspielen,
werden sie es auch nicht tun.« Ryan machte eine Pause. »Etwas Neues über
die Raketen?«
»Wir haben verschiedene Standorte unter Beobachtung«, berichtete
Golowko. »Wir denken, daß die Raketen in Yoshinobu für zivile Zwecke
eingesetzt werden. Aber das ist vermutlich nur eine Tarnung für militärische
Tests. Unser technisches Personal ist ziemlich überzeugt davon.« »Finden Sie es nicht auch wunderbar, wie überzeugt sie sein können?«
bemerkte Ryan.
»Was werden Sie tun, Jack?« fragte der Vorsitzende des RWS direkt. »Sogar, wenn wir miteinander reden, Sergej Nikolaitsch, teilen wir
denen mit, daß ihre Besetzung der Inseln nicht hinnehmbar ist.« Jack holte
Luft und erinnerte sich daran, daß er diesem Mann vertrauen mußte, ob ihm
das gefiel oder nicht. »Und wenn sie nicht von selbst gehen, we rden wir sie
dazu zwingen.«
»Aber wie? « wollte der Mann wissen. Er betrachtete die Berichte, die
Militärexperten im nahe gelegenen Verteidigungsministerium
zusammengestellt hatten.
»Vor zehn, fünfzehn Jahren, haben Sie da Ihrer politischen Führung
gesagt, daß sie uns fürchten muß?«
»So, wie Sie das von uns behauptet haben«, bestätigte Golowko. »Jetzt haben wir mehr Glück. Sie fürchten uns nicht. Sie meinen, sie
hätten schon gewonnen. Mehr kann ich im Augenblick nicht sagen. Morgen
vielleicht«, sagte Jack. »Jetzt sind Anweisungen unterwegs, die Sie an
unsere Leute übergeben müssen.«
»Wird gemacht«, versprach Sergej.
»Meine Regierung wird die Wünsche der Bevölkerung auf all diesen Inseln respektieren«, wiederholte der Botschafter und fügte einen neuen Aspekt hinzu. »Wir sind möglicherweise sogar bereit, über einen unterschiedlichen Status von Guam und dem restlichen Marianenarchipel zu sprechen. Die amerikanischen Interessen an dieser Insel gehen schon fast hundert Jahre zurück«, gab er zum ersten Mal
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