08 - Ehrenschuld
Ingenieur, aber die Leute, die die Konstruktionsarbeit machen, haben es mir so erklärt und gesagt, daß ihr Produkt beschädigt wird, wenn andere Teile genommen werden. Dann ist da noch«, fuhr er geduldig fort, »das Problem der allgemeinen Verfügbarkeit der Teile. Von den Wagen, die in Kentucky montiert werden, werden, wie Sie wissen, viele zum Verkauf nach Japan zurückgeschafft, und im Schadensfall oder wenn ein Ersatzteil benötigt wird, kann man sofort auf die örtlichen Bestände zurückgreifen. Das wäre nicht möglich, wenn wir Ihrem Vorschlag folgen und die amerikanischen Komponenten nehmen würden.«
»Seiji, es geht um einen Benzintank! Er besteht aus fünf galvanisierten Stahlteilen, die gebogen und verschweißt werden, mit einem Fassungsvermögen von siebzig Litern. Es gibt keine beweglichen Teile«, erklärte der Vertreter des Außenministeriums, der sich jetzt einschaltete und die Rolle spielte, für die er bezahlt wurde. Er hatte es sogar sehr gut gemacht, indem er Wut vorgetäuscht und sein Gegenüber beim Vornamen angesprochen hatte.
»Schon, aber der Stahl selbst, die Formel, die Anteile der einzelnen Materialien in der fertigen Legierung, das ist optimiert worden für die exakten Spezifikationen des Herstellers ...«
»Die in der ganzen Welt standardisiert sind.«
»Leider ist das nicht der Fall. Unsere Spezifikationen sind äußerst streng, weit strenger als die von anderen und, ich muß es leider sagen, auch strenger als die der Deerfield Auto Parts Company. Deshalb müssen wir Ihre Forderung zu unserem Bedauern ablehnen.« Damit war diese Verhandlungsrunde beendet. Der japanische Unterhändler, eine glänzende Erscheinung in seinem Anzug von Brooks Brothers und der Krawatte von Pierre Cardin, lehnte sich in seinem Sessel zurück, bemüht, seine Genugtuung nicht allzu offen zu zeigen. Darin hatte er viel Übung, und er war gut darin - es war sein Kartenspiel. Außerdem wurde das Spiel gerade einfacher statt schwerer.
»Das ist sehr enttäuschend«, erklärte der Vertreter des amerikanischen Handelsministeriums. Er hatte natürlich nichts anderes erwartet und blätterte um, zum nächsten Tagesordnungspunkt der Verhandlungen über inländische Materialien. Es war wie griechisches Theater, dachte er, wie eine Mischung aus einer Tragödie von Sophokles und einer Komödie von Aristophanes. Schon im voraus wußte man genau, was passieren würde. Darin hatte er recht, aber in einem Sinne, von dem er nichts ahnte.
Der wesentliche Inhalt des Spiels war vor Monaten festgelegt worden, lange bevor die Verhandlungen auf das Problem gestoßen waren, und bei nüchterner Betrachtung würde man es nachträglich als einen Zufall bezeichnet haben, eine dieser merkwürdigen Koinzidenzen, die das Schicksal der Nationen und ihrer Führer bestimmen. Wie bei den meisten Vorgängen dieser Art hatte es mit einem simplen Fehler begonnen, der trotz sorgfältigster Vorkehrungen aufgetreten war. Ausgerechnet ein schadhaftes Stromkabel war dafür verantwortlich, daß nicht genügend Strom in das Tauchbad kam und damit die Ladung in der heißen Flüssigkeit, in die die Stahlbleche getaucht wurden, verringert wurde. Das hatte wiederum die Galvanisierung beeinträchtigt, und die Stahlbleche erhielten bloß eine dünne Patina, schienen aber vollständig beschichtet zu sein. Die (nicht-)galvanisierten Bleche wurden auf Paletten aufgeschichtet, mit Stahlbändern gesichert und in Kunststoff gehüllt. Der Fehler sollte sich bei der abschließenden Oberflächenbehandlung und der Montage noch weiter verschlimmern.
Die Fabrik, in der es passiert war, gehörte nicht zu der Firma, die den Wagen montierte. Die großen Autohersteller, die die Autos entwarfen und ihr Markenzeichen darauf anbrachten, kauften wie in Amerika - die meisten Komponenten bei kleineren Zulieferern. Das Verhältnis zwischen dem größeren Fisch und den kleineren war in Japan sowohl stabil als auch halsabschneiderisch. Stabil insofern, als die Geschäftsbeziehungen im allgemeinen seit langem bestanden, halsabschneiderisch insofern, als die Autohersteller diktatorische Forderungen stellten aufgrund der Wahlmöglichkeit, ihre Aufträge anderweitig zu vergeben, auch wenn dies selten offen ausgesprochen wurde. Es gab nur indirekte Hinweise, gewöhnlich eine freundliche Bemerkung über die Lage der Dinge bei einer anderen, kleineren Firma, ein Hinweis darauf, wie begabt die Kinder des Eigentümers der besagten Firma seien oder daß der Vertreter des Autoherstellers
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