08 - Ehrenschuld
mitteilen«, bemerkte Durling. Eine höfliche, aber deutlich zurückhaltende Ausdrucksweise.
Der Vortrag des Diplomaten begann ohne Umschweife. »Meine Regierung wünscht, Sie darüber zu informieren, daß wir in Kürze den Besitz strategischer Waffen öffentlich bekanntgeben werden. Wir möchten Sie fairerweise davon in Kenntnis setzen.«
»Dies wird als offene Bedrohung unseres Landes angesehen werden, Herr Botschafter«, sagte Ryan und entband damit den Präsidenten von der Notwendigkeit, unmittelbar darauf zu antworten.
»Es ist nur eine Bedrohung, wenn Sie eine daraus machen.«
»Ihnen ist bewußt«, unterstrich Jack als nächstes, »daß auch wir Atomwaffen besitzen, die in Ihr Land gebracht werden könnten.«
»Wie Sie es bereits getan haben«, erwiderte der Botschafter sofort. Ryan nickte.
»Ja, für den Fall, daß erneut ein Krieg von Ihrem Land begonnen wird.«
»Wir wiederholen, daß dies nur ein Krieg sein wird, wenn Sie einen daraus machen.«
»Sir, wenn Sie amerikanisches Territorium angreifen und amerikanische Soldaten töten, dann macht es das zu einem Krieg.«
Durling beobachtete den Wortwechsel ohne Reaktion, abgesehen von einem schräggelegten Kopf, spielte seine Rolle, wie der Nationale Sicherheitsberater die seine spielte. Er kannte seinen Untergebenen schon gut genug, um ihm die Spannung anzumerken, die Art, wie er seine Füße unter dem Stuhl übereinanderschlug, während seine Hände locker im Schoß zusammenlagen, seine Stimme, die leise und freundlich klang, trotz der Natur der Unterredung. Bob Fowler hatte mit allem recht behalten, mehr als der vorherige Präsident oder gar der gegenwärtige erkannt hatten. Ein guter Mann beweist sich im Sturm, dachte Roger Durling, ein Sprichwort, das so alt war wie die Geschichte der Seefahrt. So halsstarrig und aufbrausend er auch manchmal war, in einer Krise benahm sich Ryan eher wie ein Arzt im Operationssaal. Ob er das von seiner Frau gelernt hatte? fragte sich der Präsident. Vielleicht hatte er das in den letzten zehn oder zwölf Jahren gezwungenermaßen gelernt, in denen er innerhalb und außerhalb des Regierungsdienstes tätig gewesen war. Gutes Hirn, guter Instinkt und ein kühler Kopf, wenn er gebraucht wurde. Welche Schande, daß dieser Mann nicht in die Politik gegangen war. Dieser Gedanke verleitete Durling fast zu einem Lächeln, doch dies war nicht der richtige Ort dafür. Nein, Ryan würde als Politiker nichts taugen. Er gehörte zu der Sorte, die versuchte, Probleme direkt anzugehen. Selbst seine Unaufdringlichkeit hatte eine scharfe Kante, und ihm fehlte die entscheidende Fähigkeit, wirksam zu lügen, aber trotz allem, ein guter Mann, um mit einer Krise fertig zu werden.
»Wir streben eine friedliche Lösung dieser Angelegenheit an«, sagte der Botschafter gerade. »Wir sind bereit, dafür viel aufzugeben.«
»Wir benötigen nicht mehr als eine Rückkehr zum vorherigen Status quo«, erwiderte Ryan und nahm damit ein Risiko auf sich, das ihm fast die Schuhe auszog. Er haßte das, haßte es, auf den Punkt zu kommen, doch jetzt mußte er all die Gedanken, die er und der Präsident besprochen hatten, weitergeben, und wenn etwas schiefging, würde man sich lediglich daran erinnern, daß es Ryan war, der etwas Falsches gesagt hatte, und nicht der Präsident selbst. »Und die Vernichtung Ihrer Atomwaffen unter internationaler Aufsicht.«
»Sie zwingen uns, ein sehr gefährliches Spiel zu spielen.«
»Sie haben das Spiel begonnen, Sir.« Ryan befahl sich, zu entspannen. Seine rechte Hand lag nun über seinem linken Handgelenk. Er konnte seine Uhr spüren, wagte aber nicht, auf sie zu blicken, aus Angst davor, damit preiszugeben, daß im Augenblick etwas Zeitabhängiges stattfand. »Sie verstoßen bereits gegen den Atomwaffensperrvertrag. Sie haben gegen die UN-Charta verstoßen, die von Ihrer Regierung mit unterschrieben worden ist. Sie verstoßen gegen mehrere Vertragswerke mit den Vereinigten Staaten, und Sie haben einen Angriffskrieg begonnen. Erwarten Sie etwa von uns, daß wir das alles hinnehmen und Ihre Versklavung amerikanischer Bürger ebenfalls? Sagen Sie mir, wie werden Ihre Bürger reagieren, wenn sie all das erfahren?« Die Ereignisse, die sich in der vorangegangenen Nacht über Nordjapan abgespielt hatten, waren noch nicht an die Öffentlichkeit gedrungen. Sie hatten ihre Medien weit besser im Griff als Ryan sein eigenes Spiel mit dem amerikanischen TV-Netz, doch bei dieser Art Spiel gab es ein Problem. Die Wahrheit kam immer ans
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