08 - Ehrenschuld
Erfahrung schon gemacht. Der eine, den Yamata jetzt ansah, hatte das Rockefeller Center in New York gekauft, hatte doppelt soviel bezahlt, wie es - auch auf diesem künstlich aufgeblähten Immobilienmarkt - wirklich wert war, war von den amerikanischen Eigentümern hereingelegt und betrogen worden. Dann war der Yen gegenüber dem Dollar gestiegen, anders gesagt, der Dollar hatte gegenüber dem Yen an Wert verloren. Würde er nun verkaufen wollen, wäre es, das war allen klar, eine Katastrophe. Erstens war der Immobilienmarkt in New York von sich aus zurückgegangen; zweitens waren die Gebäude infolgedessen nur die Hälfte der Dollar wert, die er schon bezahlt hatte; drittens waren die Dollar, in Yen ausgedrückt, nur halb soviel wert wie am Anfang. Er konnte von Glück reden, wenn er ein Viertel dessen, was er in das Geschäft hineingesteckt hatte, wiederbekommen würde. Die Miete, die er erzielte, deckte tatsächlich kaum die Zinsen für die eingegangenen Schulden.
Jener andere dort hatte ein großes Filmstudio gekauft, und ein Rivale auf der anderen Seite des Tisches hatte dasselbe getan. Raizo konnte eigentlich nur lachen über die Trottel. Was hatten sie wirklich gekauft? Sie hatten in beiden Fällen für einen Preis von Milliarden von Dollar rund dreihundert Hektar Grund in Los Angeles erworben und dazu ein Stück Papier, auf dem stand, daß sie jetzt die Möglichkeit hatten, Filme zu machen. In beiden Fällen hatten die vorherigen Eigentümer das Geld genommen und ihnen offen ins Gesicht gelacht, und in beiden Fällen hatten die vorherigen Eigentümer vor kurzem ein stilles Angebot gemacht, die Grundstücke für ein Viertel oder weniger dessen, was die japanischen Geschäftsleute bezahlt hatten, zurückzukaufen - gerade genug, um die Schulden zurückzuzahlen, und keinen Yen mehr.
So ging es immer weiter. Wenn ein japanisches Unternehmen die in Amerika erzielten Gewinne wieder in Amerika investieren wollte, schrien die Amerikaner Zetermordio, daß die Japaner ihnen ihr Land wegnähmen. Außerdem verlangten sie für alles zuviel. Außerdem sorgte ihre Regierungspolitik dafür, daß die Japaner bei allen Geschäften Geld verloren, damit Amerikaner alles zu herabgesetzten Preisen zurückkaufen konnten, wobei sie sich noch beschwerten, diese Preise seien zu hoch. Amerika jubelte, daß es wieder die Kontrolle über die eigene Kultur zurückgewann, doch was sich in Wahrheit abspielte, war der größte und am besten vertuschte Raub der Weltgeschichte.
»Ist es nicht offenkundig? Sie wollen uns lahmlegen, und es gelingt ihnen«, erklärte ihnen Yamata in einem ruhigen, vernünftigen Ton.
Es war die klassische Paradoxie des Geschäftslebens, die jeder kannte und jeder vergaß. Es gab dafür sogar einen einfachen Aphorismus: Leih dir einen Dollar, und du gehörst der Bank; leih dir eine Million Dollar, und die Bank gehört dir. Japan hatte sich in den amerikanischen Automarkt eingekauft, als die amerikanische Autoindustrie, verwöhnt durch einen riesigen Absatzmarkt, den sie allein beherrschte, die Preise hochgetrieben hatte, während die Qualität stagnierte und ihre gewerkschaftlich organisierten Arbeiter sich über die entmenschlichenden Aspekte ihrer Arbeit - der bestbezahlten Jobs unter allen amerikanischen Arbeitern beklagten. Angefangen hatten die Japaner auf diesem Markt mit einem noch geringeren Ansehen als Volkswagen, mit häßlichen kleinen Autos, deren Fertigungsqualität zu wünschen übrigließ und deren Sicherheitsmerkmale keinen beeindruckten, die aber den amerikanischen Wagen in einer Hinsicht überlegen waren: Sie waren benzinsparend.
Drei historische Zufälle waren dann den Japanern zu Hilfe gekommen. Empört über die »Habgier« der Erdölkonzerne, die Weltmarktpreise für ihre Produkte verlangten, hatte der amerikanische Kongreß den Preis für inländisches Rohöl begrenzt. Dadurch wurden die Benzinpreise in Amerika auf einem beispiellos niedrigen Niveau eingefroren, man verzichtete auf die Erschließung neuer Ölquellen, und Detroit wurde ermutigt, große, schwere, benzinfressende Autos zu bauen. Der Krieg von 1973 zwischen Israel und den arabischen Staaten hatte dann zum ersten Mal seit dreißig Jahren dazu geführt, daß amerikanische Autofahrer vor Tanksteifen Schlange standen, und dieses Trauma war dem Land, das sich über dergleichen erhaben fühlte, in die Knochen gefahren. Jetzt begriff man plötzlich, daß Detroit nur Autos herstellte, die regelrechte Benzinsäufer waren. Die
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