08 - Ehrenschuld
gekommen, weil das FBI die Genehmigung des Präsidenten und die Kooperationsbereitschaft des Justizministers hatte und weil es heute in einem anderen juristischen und moralischen Klima arbeiten konnte. »Sobald Sie mit dem Vorsitzenden sprechen ...« Murray nickte. »Ich weiß. Dann kann ich auch gleich 'ne Pressekonferenz machen und unser Beweismaterial vollkommen offenlegen.« Aber das konnten sie natürlich nicht machen. War der Kern ihres Materials erst einmal in der Hand von Politikern - in diesem Fall des Vorsitzenden des Justizausschusses des Repräsentantenhauses, der zugleich ein führendes Mitglied der Opposition war -, würde sofort etwas laut werden. Murray und sein Team konnten sich im Grunde nur die Tageszeit aussuchen. Wenn es spät genug war, daß die Morgenzeitungen die Meldung nicht mehr bringen konnten, würden sie sich den Zorn der Herausgeber der Washington Post und der New York Times zuziehen. Das Bureau mußte sich streng an die Regeln halten. Es durfte nichts durchsickern lassen, weil es hier um ein Strafverfahren ging und die Rechte des Beschuldigten ebenso strikt zu beachten waren wie die der Opfer, ja sogar noch strikter, wenn nicht der spätere Prozeß gefährdet werden sollte.
»Wir machen es hier, Dan«, sagte Shaw nach kurzer Überlegung. »Ich überlasse es dem Justizminister, den Anruf zu machen und den Termin festzusetzen. Vielleicht hilft das, die Information für eine Weile unter der Decke zu halten. Was hat der Präsident neulich noch gesagt?«
»Er hat Stehvermögen«, berichtete der Deputy Assistant Director und benutzte damit eine Formel, mit der man beim FBI seine Anerkennung ausdrückte. »Er sagte: >Ein Verbrechen ist ein Verbrechens.< Er hat außerdem gesagt, wir sollten die Angelegenheit so >geräuschlos< wie möglich durchziehen, aber das war zu erwarten.«
»Haargenau. Ich werde ihn persönlich über unsere Schritte unterrichten.«
Nomuri pflegte Aufgaben direkt anzugehen. Es war sein regulärer Abend in diesem Badehaus mit dieser Gruppe von Angestellten er hatte vermutlich den saubersten Job in der ganzen Agency. Außerdem kannte er keine flottere Methode, an Informationen heranzukommen, und er hatte dafür gesorgt, daß es noch flotter lief, und eine große Flasche Sake spendiert, die jetzt halb geleert am Rand des hölzernen Zubers stand.
»Hätten Sie mir doch bloß nichts von dieser Rundäugigen erzählt«, seufzte Nomuri mit geschlossenen Augen, während er in seiner gewohnten Ecke saß und die wohlige Wärme des Wassers auf sich einwirken ließ. Mit 43 Grad hatte es die richtige Temperatur, um den Blutdruck zu senken und eine euphorische Stimmung zu erzeugen. Die Wirkung des Alkohols kam noch hinzu. Viele Japaner litten an einer genetischen Störung, die man in Amerika als »Oriental Flush« bezeichnete oder, um ethnische Empfindlichkeiten zu schonen, als »pathologischen Rausch«. Bei dieser Enzymstörung bewirkte schon ein geringes Quantum Alkohol ein erstaunliches Resultat. Zum Glück kam diese erbliche Eigenschaft in Nomuris Familie nicht vor.
»Wieso?« fragte Kazuo Taoka aus der Ecke gegenüber.
»Weil diese gaijin-Hexe mir nicht mehr aus dem Kopf geht!« erwiderte Nomuri freundlich. Zu den weiteren Effekten des Badehauses gehörte ein jovialer Umgangsstil. Der Mann neben dem CIA-Agenten fuhr ihm grob über den Kopf, und die anderen fielen in sein Gelächter ein.
»Sieh da, und jetzt möchten Sie mehr von ihr hören, stimmt's?« Nomuri brauchte nicht hinzusehen. Der Mann, der direkt neben ihm saß, beugte sich vor. Die anderen bestimmt auch. »Sie hatten übrigens recht. Ihre Füße sind zu groß, und ihre Brüste auch, aber ihre Manieren ... na ja, das werden sie irgendwie lernen.«
»Wollen Sie uns auf die Folter spannen?« fragte ein anderer aus der Runde mit gespielter Wut.
»Dadurch wird es doch erst richtig spannend!« Alle lachten. »Also, es stimmt, daß ihre Brüste zu groß sind, um wirklich schön zu sein, aber das Leben verlangt nun einmal Opfer von uns allen, und ich habe, ehrlich gesagt, schon schlimmere Entstellungen gesehen ...«
Was für ein begnadeter Erzähler, dachte Nomuri. Ein echtes Talent. Kurz darauf hörte er, wie eine Flasche entkorkt wurde, und ein anderer schenkte die kleinen Becher voll. Eigentlich war Trinken im Badehaus aus gesundheitlichen Gründen verboten, eine Vorschrift, über die man sich selten genug in diesem Land weitgehend hinwegsetzte. Nomuri griff mit noch immer geschlossenen Augen nach seinem Becher, und
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