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08 - Ehrenschuld

08 - Ehrenschuld

Titel: 08 - Ehrenschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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während über das dampfende Wasser weitere Details zu ihm drangen, gab er den anderen durch sein beseligtes Lächeln zu verstehen, daß er in inneren Vorstellungen schwelgte. Die Beschreibung ging mehr ins einzelne und entsprach immer genauer dem Foto und anderen Details, die ihm heute morgen im Zug übermittelt worden waren. Aber schlüssig war sie noch nicht. Die Beschreibung traf auf Tausende von Mädchen zu, und über den Fall als solchen konnte Nomuri sich eigentlich nicht aufregen. Sie hatte sich mutwillig in diese Situation begeben, aber sie war eine amerikanische Bürgerin, und wenn er ihr helfen konnte, würde er es tun. Diesem an sich belanglosen Nebenaspekt seines eigentliches Auftrags verdankte er immerhin den Anlaß, eine Frage zu stellen, die ihn noch stärker als ein Mitglied dieser Männerrunde erscheinen ließ. Um so eher konnte er dann später, wenn es um wichtige Dinge ging, etwas aus ihnen herausholen.
»Wir haben keine Wahl«, sagte ein Mann in einem anderen, ähnlichen Badehaus, gar nicht weit entfernt. »Wir brauchen Ihre Hilfe.«
    Es kam nicht unerwartet, dachten die anderen fünf Männer. Offen war nur gewesen, wen es als ersten treffen würde. Jetzt hatte es diesen Mann und seine Firma ereilt. Das minderte nicht sein Gefühl der Schande, um Hilfe bitten zu müssen, und die anderen fühlten es ihm nach, während sie sich nach außen hin sachlich korrekt gaben. Tatsächlich empfanden die Männer, die ihm zuhörten, noch etwas anderes: Angst. Wenn es erst einmal passiert war, konnte es sich leicht wiederholen. Wer war als nächster dran?
    Im allgemeinen gab es keine sicherere Anlageform als Grundbesitz, echtes beständiges Eigentum, das eine physische Realität besaß, das man anfassen und fühlen konnte, auf dem man bauen und leben konnte, das andere sehen und messen konnten. Gewiß versuchte Japan ständig, durch Aufschüttungen Neuland zu gewinnen, um beispielsweise Flughäfen darauf zu errichten, doch die allgemeine Regel galt hier genauso wie anderswo: Es lohnte sich, Land zu kaufen, weil der Vorrat an Liegenschaften begrenzt war und der Preis daher nicht sinken würde.
    Doch in Japan hatten spezielle örtliche Verhältnisse diese Wahrheit durchkreuzt. Eine vernünftige Flächennutzung wurde durch die überzogenen Forderungen der Besitzer kleiner Ackerflächen zunichte gemacht, und es war nichts Ungewöhnliches, mitten in einer Vorstadt auf einen schmalen Streifen Land zu treffen, auf dem ein Viertel Hektar Gemüse angebaut wurde. Ohnehin schon klein - das ganze Land hatte ungefähr die Fläche von Kalifornien, aber fast halb so viele Einwohner wie die Vereinigten Staaten -, wurde die Übervölkerung noch dadurch gesteigert, daß nur ein geringer Teil sich als Ackerland eignete, und da Ackerland zumeist auch jenes Land war, auf dem sich leichter bauen ließ, konzentrierte sich der Großteil der Bevölkerung in einer Handvoll dichtbesiedelter Großstädte, was die Grundstückspreise dort noch mehr in die Höhe trieb. Diese scheinbar ganz normalen Tatsachen führten zu dem bemerkenswerten Resultat, daß die Grundstücke allein im Geschäftszentrum von Tokio einen höheren Buchwert hatten als die gesamte Fläche der achtundvierzig zusammenhängenden Staaten Amerikas. Was noch bemerkenswerter war: Diese wahnwitzige Fiktion wurde von allen als etwas völlig Normales akzeptiert, obwohl sie in Wahrheit genauso verrückt und unnatürlich war wie die Besessenheit, mit der man im 17. Jahrhundert hinter holländischen Tulpenzwiebeln hergewesen war.
    Aber war eine Volkswirtschaft nicht, genau wie in Amerika, letzten Endes nichts anderes als ein kollektiver Glaube? Das war jedenfalls seit einer Generation die gängige Meinung. Die genügsamen Japaner sparten einen großen Teil ihres Einkommens. Die Ersparnisse landeten auf der Bank, in so riesigen Mengen, daß ein entsprechend riesiges Kapital zum Ausleihen zur Verfügung stand, mit der Folge, daß die Zinsen für solche Ausleihungen entsprechend niedrig waren, so daß Unternehmen Land kaufen und darauf bauen konnten trotz der Preise, die in jedem anderen Land der Welt den Bauherrn ruiniert oder das Bauen gänzlich unmöglich gemacht hätten. Diese Entwicklung war wie jeder künstliche Boom mit gefährlichen Begleiterscheinungen verbunden. Der aufgeblähte Buchwert der Immobilien wurde als Nebensicherheit für andere Kredite benutzt ebenso wie als Sicherheit für auf Einschuß gekaufte Aktienpakete; auf diese Weise hatten vermeintlich kluge und

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