08 - Ehrenschuld
zu zeigen, daß wir dieses Spiel leid sind«, schlug Captain Mehta mit ruhiger Stimme vor. Der Admiral schüttelte den Kopf.
»Nein. Sie haben keine Ahnung von unseren SAM-Systemen, und wir werden einen Teufel tun, ihnen freiwillig etwas davon preiszugeben.« Die genauen Radarfrequenzen, die Pulsbreite und die Wiederholungsraten der Inder waren keine allgemein zugängliche Information, und die amerikanischen Nachrichtendienste hatten sich vermutlich nicht die Mühe gemacht, sie herauszufinden. Möglicherweise waren die Amerikaner daher nicht in der Lage, seine Systeme zu stören oder zu simulieren, das heißt, sie konnten es vermutlich, aber sie würden nicht sicher sein, und die mangelnde Gewißheit würde ihnen zu schaffen machen. Es war nicht gerade eine Trumpfkarte, aber die beste, über die Chandraskatta derzeit verfügte. Der Admiral nahm einen Schluck Tee, um zu zeigen, daß ihn nichts erschüttern konnte. »Nein, wir werden ihren Anflug zur Kenntnis nehmen, sie freundlich begrüßen und unbehelligt ziehen lassen.«
Mehta nickte und ging, ohne seiner wachsenden Wut Ausdruck zu geben. Das war zu erwarten. Er war der Flotteneinsatzoffizier, und seine Aufgabe war es, einen Plan zu ersinnen, wie die amerikanische Flotte geschlagen werden konnte, falls diese Notwendigkeit sich ergeben sollte. Daß eine solche Aufgabe praktisch unmöglich war, entband Mehta nicht von der Pflicht, sie auszuführen, und es war nicht erstaunlich, daß dem Mann die Bürde seiner Stellung anzumerken war. Chandraskatta setzte seine Tasse ab und schaute zu, wie die Harrier sich vom Schanzendeck in die Lüfte erhoben.
»Wie halten sich die Piloten?« fragte der Admiral seinen Flugoffizier. »Sie werden langsam sauer, aber die Leistung ist bisher ausgezeichnet«, antwortete er stolz, und das mit Recht. Seine Piloten waren klasse. Der Admiral nahm oft das Essen mit ihnen ein, und die stolzen Gesichter in den Bereitschaftsräumen machten ihm Mut. Es waren prächtige Kerle, die es einer wie der andere mit jedem Jagdpiloten der Welt aufnehmen konnten. Und sie waren scharf darauf, es zu beweisen.
Doch die ganze indische Marine hatte nur dreiundvierzig Harrier FRS51-Jäger. Nur dreißig davon hatte er auf See, auf der Viraat und der Vikrant, und das kam nicht einmal an die Zahlen heran, die die Amerikaner an Bord eines einzigen Flugzeugträgers hatten. Das alles nur, weil sie zuerst in den Wettlauf eingetreten waren, ihn gewonnen und dann das Spiel für beendet erklärt hatten, dachte Chandraskatta, während er dem Geplapper seiner Flieger auf einem offenen Kanal lauschte. Es war einfach nicht fair.
»Das mußt du mir noch mal erklären«, sagte Jack.
»Es war ein Schwindel«, sagte Robby. »Diese Dinger waren
wartungsintensiv. Und weißt du was? Während der letzten Jahre haben sie
sie überhaupt nicht mehr gewartet. Andy Malcolm hat heute abend über sein
Satellitentelefon angerufen. In dem Loch, in das er heute hineingeschaut
hat, stand Wasser.«
»Ja und?«
»Ich vergesse immer, daß du ein Stadtmensch bist.« Robby grinste wie
ein dummes Schaf oder eher wie ein Wolf im Schafspelz.
»Wenn du ein Loch gräbst, läuft es früher oder später voll, verstanden?
Wenn du in dem Loch etwas Wertvolles hast, mußt du dauernd pumpen. Da
auf dem Grund des Silos Wasser stand, haben sie es nicht immer getan. So
bildet sich Wasserdampf, Feuchtigkeit in dem Loch. Und das heißt
Korrosion.«
Jetzt ging Ryan ein Licht auf. »Soll das heißen, daß die Dinger ...« »... vermutlich gar nicht geflogen wären, selbst wenn sie gewollt hätten.
Das hat Korrosion so an sich. Die Vögel waren vermutlich flugunfähig,
denn wenn sie einmal kaputt sind, kriegt man sie kaum wieder hin.
Jedenfalls« - Jackson warf den dünnen Schnellhefter auf Ryans
Schreibtisch - »ist das die Einschätzung von J-3.«
»Und was sagt J-2?« wollte Jack wissen und sprach damit die
Nachrichtenabteilung der Vereinigten Stabschefs an.
»Sie hielten es nicht für möglich, aber jetzt werden sie es wohl glauben
müssen, wenn wir bei weiteren Löchern immer wieder dasselbe zu sehen
kriegen. Was ich meine?« Admiral Jackson zuckte die Achseln. »Ich denke,
wenn Iwan es uns beim ersten Loch zu sehen gestattet, wird es überall so
ziemlich genauso sein. Es ist ihnen einfach scheißegal.«
Geheimdienstinformationen kommen aus vielen Quellen, und ein
geriebener Bursche wie Jackson war oft die allerbeste Quelle. Im
Unterschied zu Geheimdienstlern, deren Aufgabe es war, die Fähigkeiten
der
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