08 Geweihte des Todes - Adrian Lara
der Schmerz der Archers bewegte ihn, wie erschüttert Jenna neben ihm aussah.
Obwohl sie äußerlich ruhig wirkte, war ihr Mund angespannt. Ihre Lippen zitterten leicht, und ihre haselnussbraunen Augen waren feucht von unvergossenen Tränen. Ob aus Mitgefühl für die beiden Stammesvampire oder in Erinnerung an ihre eigene Qual, ihre Lieben so abrupt verloren zu haben, wusste er nicht sicher. Aber die Verletzlichkeit, die er an ihr sah, berührte ihn tief.
Unter dem Tisch griff sie nach seiner Hand. Er nahm ihre schlanken Finger in seine, und sie sah mit einem kleinen Lächeln zu ihm hinüber, als ihre Finger sich in stummer Bestärkung verschlangen. Etwas Tieferes ging in diesem Augenblick zwischen ihnen vor – eine unausgesprochene Bestätigung ihrer Bindung aneinander, die immer stärker wurde.
Er wusste, dass sie stark war. Er kannte sie als mutige, belastbare Frau, die in ihrem Leben schon viel zu viele Schläge erlitten hatte und doch immer wieder aufgestanden war. Aber sie jetzt in diesem Augenblick ruhiger Verletzlichkeit zu sehen, brach ihm ein wenig das Herz.
Er liebte an ihr, dass sie keine fragile Blume war, die schon bei der kleinsten Hitze dahinwelkte. Aber er liebte auch ihre verborgene Empfindsamkeit.
Gott, er liebte so vieles an ihr!
Außer dem kleinen Problem, dass sie nicht als Stammesgefährtin zur Welt gekommen war, war Jenna Darrow eine Frau, die er sich nur allzu leicht an seiner Seite vorstellen konnte – ein echter Partner, im Leben und in allem. Aber sie war normalsterblich, und sich in sie zu verlieben, bedeutete unvermeidlich, sie zu verlieren. Was heute in New York geschehen war – sie in den Händen von Dragos’ Lakaien zu sehen –, hatte ihm diesen Punkt nur allzu deutlich bewusst gemacht.
Corinnes Tod war ein Schlag gewesen, auf den er nicht vorbereitet gewesen war, und trotzdem war es ihm gelungen weiterzuleben. Doch Jenna zu verlieren, ob an das Alter, das sie ihm irgendwann nehmen würde, oder sonst wie, war inzwischen unvorstellbar für ihn geworden.
Als er jetzt ihre Hand hielt, wusste er, dass er nicht länger so tun konnte, als ob sie nur eine seiner Missionen sei, oder dass er sie nur beschützte, weil der Orden es von ihm verlangte. Es hatte ihn schwer erwischt – zu sehr, um weiter zu leugnen, wie viel sie ihm bedeutete.
Über diese beunruhigende Erkenntnis dachte er immer noch nach, als Lucan vom Tisch aufstand und sich neben Christophe Archer stellte. Er legte dem anderen Mann die Hand auf die Schulter, die dunklen Brauen ernst gerunzelt. „Wir werden nicht ruhen, bis wir deinen Sohn gefunden und zurückgebracht haben. Darauf hast du mein Wort und das all meiner Brüder hier in diesem Raum.“
Bei seinem Schwur erhoben sich Brock und die anderen Krieger ebenfalls von ihren Stühlen, um ihre Solidarität zu zeigen, selbst Hunter, der Gen Eins, der die rücksichtslose Grausamkeit von Dragos und seinen Killern aus erster Hand kannte.
Christophe sah sich mit einem festen Blick zum Anführer des Ordens um. „Ich danke dir. Da gibt es nichts mehr, um was ich bitten kann.“
„Und da gibt es nichts, was ich nicht geben würde“, sagte Lazaro und trat zu seinem Sohn und Lucan im hinteren Teil des Raumes. „Der Orden hat mein volles Vertrauen. Ich kann mir nicht verzeihen, deinen Rat vor einem Jahr ignoriert zu haben, Lucan. Sieh nur, was es mich jetzt kostet.“ Traurig schüttelte er den Kopf. „Vielleicht bin ich schon zu lange am Leben, wenn ein solches Scheusal wie Dragos unter uns existieren kann. Ist das die Richtung, in die der Stamm sich entwickelt? Wollen wir einander bekriegen, uns von Gier und Macht korrumpieren lassen, genau wie die Menschen? Vielleicht sind wir doch gar nicht so anders als sie. Was das angeht, unterscheiden wir uns überhaupt so sehr von den bestialischen Außerirdischen, die uns gezeugt haben?“
Lucans stahlgraue Augen hatten nie resoluter geblickt. „Ich zähle darauf.“
Lazaro Archer nickte. „Und ich zähle auf euch“, sagte er und sah nacheinander jedem Krieger und jeder Frau, die mit ihnen aufgestanden war, einzeln ins Gesicht. „Ich zähle auf euch alle.“
23
Nachdem Lazaro und Christophe Archer gegangen waren, setzte der Orden seine Besprechung noch einige Stunden fort. Dann gingen Jenna und die anderen Frauen irgendwann zu ihrem Abendessen, und die Krieger begannen, ihre begrenzten Handlungsmöglichkeiten und Strategien für die Suche nach dem entführten Jungen zu diskutieren.
Obwohl Brock zuhörte und
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