08 Geweihte des Todes - Adrian Lara
Grace euch denn weiterhelfen, Liebes?“
Dylan sah mit einem Stirnrunzeln auf. „Schwester Grace?“
„Ja. Schwester Grace Gilhooley. Sie und ich waren doch damals zusammen Ehrenamtliche im Heim. Wir waren beide im selben Kloster hier in Boston.“
„Bingo“, sagte Dylan leise, und ihre Augen glänzten vor Aufregung. Sie stand vom Sofa auf und ging in die Teeküche hinüber. „Ich würde riesig gern mit Schwester Grace reden. Sie wissen nicht zufällig, wo wir sie finden können?“
Schwester Margaret nickte stolz. „Aber natürlich weiß ich das. Sie wohnt keine fünf Minuten von hier an der Küste. Ihr Vater war Kapitän. Oder Fischer. Nun ja, so genau weiß ich es nicht mehr.“
„Ist schon okay“, sagte Dylan. „Könnten Sie uns vielleicht ihre Telefonnummer oder Adresse geben, damit wir sie kontaktieren können?“
„Ich weiß sogar noch etwas Besseres, Liebes. Ich rufe sie selbst an und sage ihr, dass ihr Fragen zu einigen dieser Mädchen aus dem Heim habt.“ Hinter Schwester Margaret begann der Teekessel zu pfeifen, und ihr Lächeln war so liebenswürdig wie das einer Bilderbuchoma. „Aber zuerst trinken wir alle eine schöne Tasse Tee.“
Sie hatten ihren Tee ausgetrunken, so schnell sie konnten, ohne völlig unhöflich zu sein. Trotzdem dauerte es über zwanzig Minuten, bis sie sich von der reizenden Schwester Margaret Mary Howland loseisen konnten. Zum Glück hatte sich ihr Anruf bei Schwester Grace als Volltreffer erwiesen.
Die andere Nonne im Ruhestand war offenbar gesundheitlich besser dran als ihre Freundin, sie kam ohne Betreuung aus, und von dem einseitigen Gespräch her, das Jenna und die anderen mitgehört hatten, klang es so, als wäre es Schwester Grace Gilhooley ein Vergnügen, ihnen alles über ihre Arbeit in dem New Yorker Mädchenheim zu erzählen, was sie wissen wollten.
„Schönes Haus“, bemerkte Jenna, als Renata den Rover über die Küstenstraße zu einem in fröhlichem Gelb gestrichenen viktorianischen Anwesen fuhr, das auf einer felsigen Landzunge stand.
Das große Haus erhob sich auf etwa zwei Morgen Land. Verglichen mit den Grundstücksgrößen in Alaska war das ein Witz, aber hier an der Küste von Cape Cod ganz klar die beste Immobilienlage. Inmitten des schneebedeckten Hofes und der verschneiten Felsklippen, hinter denen sich der stahlblaue Ozean bis zum Horizont erstreckte, wirkte das hellgelbe Anwesen in der winterkalten Landschaft so fröhlich und einladend wie ein Flecken warmer Sonnenschein.
„Ich hoffe, hier haben wir mehr Glück“, sagte Alex neben Jenna auf dem Rücksitz und spähte zu dem eindrucksvollen Anwesen hinüber, als sie dem weißen Lattenzaun folgten und dann in die schmale Einfahrt einbogen.
Als Renata den Rover beim Haus parkte, drehte sich Dylan auf dem Beifahrersitz zu den anderen um. „Wenn sie uns keine der vermissten Frauen aus dem New Yorker Heim identifizieren kann, weiß sie vielleicht wenigstens die Namen der Stammesgefährtinnen auf den beiden neuen Skizzen, die Claire Reichen uns gegeben hat.“
Jenna stieg mit Alex hinten aus, und beide gingen zur Vorderseite des Rover herum, wo Renata und Dylan jetzt standen. „Ich wusste gar nicht, dass wir zwei neue haben.“
„Elise hat sie gestern bei ihrer Künstlerfreundin im Dunklen Hafen abgeholt.“
Dylan reichte Jenna eine Aktenmappe aus Karton, als sie auf die Veranda des Hauses im Zuckerbäckerstil zugingen. Jenna öffnete sie und folgte ihren Kameradinnen die knarrenden hölzernen Treppenstufen zur Eingangstür hinauf. Sie warf einen Blick auf die Zeichnungen, die die Künstlerin nach Claires Erinnerungen angefertigt hatte – an die Gesichter, die sie vor einigen Monaten im Traum in Dragos’ geheimem Schlupfwinkel gesehen hatte.
Dylan klingelte an der Tür. „Daumen drücken, Mädels! Oder lieber beten, wenn ihr schon dabei seid.“
Eine Haushälterin erschien und informierte sie höflich, dass sie bereits erwartet wurden. In der Zwischenzeit studierte Jenna die beiden neuen Skizzen etwas genauer … und dann blieb ihr fast das Herz stehen.
Das Bild einer jungen Frau mit glattem dunklem Haar und mandelförmigen Augen starrte sie an. Das zarte Gesicht war ihr vertraut, selbst auf dieser Bleistiftzeichnung, die die ganze Wirkung ihrer exotischen Schönheit nicht einfangen konnte.
Corinne.
Brocks Corinne.
Konnte sie das wirklich sein? Und wenn ja, wie war das nur möglich? Er war so sicher gewesen, dass sie tot war. Er hatte Jenna gesagt, dass er die Leiche der
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