08 Geweihte des Todes - Adrian Lara
ihren zu heben, und ihre Lippen würden sich berühren.
Jennas Puls beschleunigte sich bei der Vorstellung, Brock zu küssen.
Sie wäre gar nicht auf den Gedanken gekommen, als er sie vorhin in sein Zimmer getragen hatte, und auch noch vor wenigen Minuten nicht, als sie vor Angst und Wut gefaucht und geknurrt hatte wie ein wildes Tier in der Falle eines Jägers.
Aber jetzt, als er ihr so nahe war, dass sie die Hitze seines Körpers spüren konnte und der würzige Duft seiner Haut sie in Versuchung führte, den Kopf an ihn zu legen und ihn einzuatmen, durchpulste sie bei jedem flatternden Herzschlag der heimliche Drang, Brock zu küssen.
Vielleicht wusste er, was sie eben empfand.
Vielleicht ging es ihm genauso.
Er stieß einen deftigen Fluch aus, dann trat er einen kleinen Schritt zurück von ihr und starrte sie mit wild gerunzelter Stirn an. „Ach verdammt … Jenna …“
Als er ihr Gesicht sanft in seine großen Hände nahm, schien all die Luft aus dem Raum zu verdampfen. Jennas Lungen erstarrten in ihrer Brust, aber ihr Herz hämmerte weiter, so heftig, dass sie Angst hatte, es könnte explodieren.
Sie wartete voll Schrecken und Hoffnung ab, verblüfft von ihrem Verlangen danach, Brocks Mund auf ihrem zu spüren.
Er fuhr sich rasch mit der Zunge über die Lippen, und bei dieser Bewegung erhaschte sie einen Blick auf die scharfen Spitzen seiner Fänge, die wie Diamanten glitzerten. Wieder fluchte er, dann wich er auf Armeslänge zurück, sodass nur ein Abgrund kalter Luft blieb, wo vor einer Sekunde noch sein warmer Körper gewesen war.
„Ich sollte jetzt nicht hier sein“, murmelte er. „Und du musst dich ausruhen. Mach’s dir gemütlich. Wenn nicht genug Decken auf dem Bett sind, findest du mehr in meinem begehbaren Wandschrank hinten im Badezimmer. Nimm dir einfach alles, was du brauchst.“
Jenna musste sich schwer zusammennehmen, um wieder auf Konversationsmodus umzuschalten. „Diese, äh … das ist deine Wohnung?“
Er nickte schwach und trat schon auf den Korridor hinaus. „War sie. Jetzt ist es deine.“
„Moment mal.“ Langsam ging Jenna ihm nach. „Und du? Wo wohnst du denn dann?“
„Mach dir da keine Sorgen“, sagte er und blieb stehen, um sie anzusehen, wie sie gegen den Türrahmen gelehnt stand. „Ruh dich etwas aus, Jenna. Wir sehen uns.“
Brocks Blut rauschte ihm immer noch heiß in den Adern, als er wenig später draußen vor einer der letzten Wohnungen des Hauptquartiers stand und die Knöchel an die geschlossene Tür fallen ließ.
„Elf Minuten früher als vereinbart“, ertönte die tiefe, sachliche Stimme des Stammesvampirs auf der anderen Seite.
Die Tür schwang auf, und Brock wurde von einem undurchdringlichen hellgoldenen Augenpaar durchbohrt.
„Deine Avonberaterin ist da“, sagte Brock zur Begrüßung und hob den schwarzen Ledersack mit seinen persönlichen Siebensachen, die er vorhin aus seinem Quartier geholt hatte. „Und was soll das heißen, elf Minuten früher als vereinbart? Sag mir nicht, dass du einer von diesen überspannten Mitbewohnern bist, die alles nach der Uhr machen, mein Alter. Ich hatte keine Wahl. Du und Chase seid die Letzten im Hauptquartier, die allein wohnen, und wenn Harvard und ich uns ein Zimmer teilen, gibt es Mord und Totschlag.“
Hunter sagte nichts, als Brock an ihm vorbei in den Raum stapfte, sondern folgte ihm verstohlen wie ein Geist zum Schlafzimmer. „Ich dachte, es wäre jemand anders“, bemerkte er etwas verspätet.
„Ach was?“ Brock sah sich zu dem stoischen Gen Eins um, ehrlich neugierig über den neuesten Zugang des Ordens, der von allen am zurückgezogensten lebte. Und außerdem musste er sich dringend von seinen überhitzten Gedanken an Jenna Darrow ablenken. „Wen hast du denn noch erwartet außer mir?“
„Es ist nicht von Belang“, erwiderte Hunter.
„Na gut.“ Brock zuckte die Schultern. „Ich versuche ja nur, Konversation zu machen, das ist alles.“
Die Miene des Gen Eins blieb ungerührt, völlig ausdruckslos. Was nicht überraschend war, wenn man bedachte, wie der Mann aufgewachsen war – als einer von Dragos’ Killern eigener Züchtung. Der Typ hatte ja noch nicht einmal einen richtigen Namen. Wie der Rest der Privatarmee, die Dragos mit dem Ältesten gezüchtet hatte, hatte man den Gen Eins einfach nur nach seinem einzigen Daseinszweck benannt: Hunter, der Jäger.
Er war vor ein paar Monaten zum Orden gestoßen, nachdem Brock, Nikolai und einige der anderen Krieger eine Versammlung
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