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08 Geweihte des Todes - Adrian Lara

Titel: 08 Geweihte des Todes - Adrian Lara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Lara
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gesehen, wie er sich mit seinen eigenen Schuldgefühlen herumschlug, und wusste, dass er sie nur trösten wollte. „Das sagst du mir bloß, damit ich mich besser fühle. Ich weiß, dass du selber gar nicht daran glaubst.“
    Er runzelte die Stirn, und in der Dunkelheit des Rover flackerte ein Ausdruck stummer Qual über sein Gesicht.
    „Wie war ihr Name?“ Jenna berührte seinen angespannten Kiefer, sah den alten Schmerz in seinen Augen. „Das Mädchen auf dem Foto in deinem Quartier – ich habe gesehen, wie du es gestern angesehen hast. Du hast sie gekannt, nicht?“
    Ein fast unmerkliches Nicken. „Ihr Name war Corinne. Sie war eine junge Stammesgefährtin, ich war in Detroit als ihr Leibwächter angestellt.“
    „Das Bild muss schon ziemlich alt sein“, sagte Jenna und erinnerte sich an die Kleider und den Jazzclub im Stil der Dreißigerjahre, vor dem die junge Frau fotografiert worden war.
    Brock verstand, was sie ihn fragte, sie sah es an seinem leicht belustigten Blick. „Es war im Juli 1935. Das weiß ich so genau, weil ich das Foto gemacht habe.“
    Jenna nickte. Eigentlich sollte sie wohl verblüffter sein über diese Erinnerung daran, dass Brock und seine Spezies praktisch unsterblich waren. Aber in diesem Augenblick, und jedes Mal, wenn er bei ihr war, dachte sie von ihm einfach nur als Mann. Einem ehrenhaften, außergewöhnlichen Mann, der immer noch eine schmerzende alte Wunde in sich trug, die ihn tief verletzt hatte.
    „Corinne ist die Frau, die du verloren hast?“, fragte sie sanft.
    Sein Stirnrunzeln vertiefte sich. „Mhm.“
    „Und du gibst dir die Schuld an ihrem Tod“, ermunterte sie ihn vorsichtig zum Weiterreden, denn sie musste wissen, was er durchgemacht hatte. Sie wollte ihn besser verstehen. Wenn sie konnte, wollte sie ihm helfen, ihm etwas von seiner eigenen Schuld und seinen Schmerzen abnehmen. „Wie ist es passiert?“
    Zuerst dachte sie, er würde es ihr nicht sagen. Er starrte auf ihre verschlungenen Finger hinunter und rieb müßig mit dem Daumen über ihren Handrücken. Als er endlich redete, klang seine tiefe Stimme rau, als wäre der Schmerz, Corinne verloren zu haben, immer noch frisch in seinem Herzen.
    „Das waren damals schwere Zeiten in Detroit. Nicht so sehr für den Stamm, aber für die Menschen. Der Leiter des Dunklen Hafens und seine Gefährtin hatten ein paar obdachlose junge Mädchen bei sich aufgenommen, Stammesgefährtinnen, um sie als ihre eigenen Kinder aufzuziehen. Ich hatte den Auftrag, auf Corinne aufzupassen. Sie war ein Wildfang, sogar schon als Kind – quicklebendig, immer lustig. Als sie größer wurde, als Teenager, wurde sie noch wilder. Sie rebellierte gegen die Vorsichtsmaßnahmen ihres Vaters, hielt ihn für zu dominant. Sie fing an, ihre Grenzen auszutesten, machte sich ein Spiel daraus, sich seinen Regeln und Erwartungen zu widersetzen. Dabei ging sie große Sicherheitsrisiken ein und hat die Geduld ihrer Familie auf eine harte Probe gestellt.“
    Jenna lächelte ihm sanft zu. „Ich kann mir denken, dass du da nicht sonderlich begeistert warst.“
    „Milde ausgedrückt“, sagte er kopfschüttelnd. „Corinne war clever, und sie hat sich jedes Mal solche Mühe gegeben, mich abzuschütteln, aber sie hat es nie geschafft. Bis auf dieses letzte Mal, am Abend ihres achtzehnten Geburtstages.“
    „Was ist passiert?“
    „Corinne war ganz verrückt nach Musik. Damals war Jazz angesagt, und die besten Jazzclubs von Detroit waren in einer Gegend namens Paradise Valley. Keine Woche verging, in der sie mich nicht angefleht hat, mit ihr da hinzugehen. Und meistens habe ich nachgegeben. Wir gingen auch in der Nacht ihres Geburtstages in die Clubs – und in den Dreißigerjahren war das keine einfache Sache, ein weißes Mädchen allein mit einem schwarzen Mann.“ Er stieß ein humorloses leises Kichern aus. „In der Welt des Stammes spielt die Hautfarbe keine Rolle, aber bei den Menschen damals war das anders.“
    „Leider ist es ja auch heute noch viel zu oft so“, sagte Jenna, schlang ihre Finger ein wenig fester um seine und sah im Kontrast ihrer Hautfarben nichts als Schönheit. „Gab es Ärger in dem Club?“
    Er nickte schwach. „Es wurde geglotzt und getuschelt. Ein paar weiße Männer hatten zu viel getrunken, sie kamen rüber und sagten Obszönitäten zu Corinne. Ich hab ihnen gesagt, sie sollen sich zum Teufel scheren. Wer zuerst zugeschlagen hat, weiß ich nicht mehr, aber von da an ist die Sache ziemlich schnell

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