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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Was hast du denn von mir erwartet?«
    »Etwas Vertrauen, denke ich.«
    Lynley wandte sich ihm wieder zu. Doch ehe er etwas auf die Bemerkung erwidern konnte, fuhr St. James zu sprechen fort. Er schlug dabei wieder jenen Ton an, der nichts anderes vermittelte als gewissenhafte Berücksichtigung von Lynleys Forderung nach umfassender Information. »Eins habe ich vergessen. Webberly täuscht sich. Die zuständige Polizeidienststelle in Marylebone hat mit dem Fall zu tun gehabt, wenn auch nur am Rande. Ein Constable hat an dem Tag, an dem Charlotte Bowen entführt wurde, einen Stadtstreicher aus dem Cross Keys Close verscheucht.«
    »Einen Stadtstreicher?«
    »Es ist möglich, daß er in einem der leerstehenden Häuser in der George Street untergekrochen war. Ich denke, du solltest ihn überprüfen.«
    »Gut. Ist das alles?«
    »Nein. Helen und ich sind der Meinung, daß es vielleicht gar kein Stadtstreicher war.«
    »Was dann?«
    »Jemand, der möglicherweise erkannt worden wäre und sich deshalb verkleidet hatte.«

15
    Rodney Aronson schob den Kit-Kat-Riegel aus seiner Verpackung. Er brach ein Stück ab und stopfte es sich in den Mund. Lustvoll führte er seine Zunge über die köstliche wellige Schokoladenlandschaft, die durch die geniale Verbindung von Kakao und Waffel geschaffen worden war. Der Genuß an dieser nachmittäglichen Leckerei, die er sich aufgespart hatte, bis die Gier nach Schokolade sich nicht länger unterdrücken ließ, reichte beinahe, ihn Dennis Luxford vergessen zu machen. Aber nicht ganz.
    Luxford, der am Konferenztisch in seinem Büro saß, war gerade dabei, zwei verschiedene Entwürfe für die Titelseite der morgigen Ausgabe zu begutachten, die Rodney ihm auf seine Aufforderung hin gebracht hatte. Mit dem rechten Daumen rieb er sich dabei über die gekrümmte Narbe an seinem Kinn, während er mit dem linken Daumen über seinen Bizeps unter dem weißen Hemd strich. Er bot ein Bild konzentrierten Nachdenkens, doch eingedenk der Informationen, die er in den letzten Tagen hatte zusammentragen können, fragte Rodney Aronson sich, inwieweit Luxfords Pose Theater war, das er um Rodneys willen inszenierte.
    Es war natürlich richtig, daß Luxford keine Ahnung davon hatte, daß Rodney ihm nachgeschnüffelt hatte; die nachdenkliche Betrachtung der beiden Entwürfe konnte daher durchaus echt sein. Jedoch die Tatsache an sich, daß zwei Entwürfe vorlagen, berechtigte zu Fragen über Luxfords Motive. Er konnte nicht länger behaupten, daß die Strichjungen-Story um Larnsey heiß genug sei, die Titelseite zu besetzen. Ganz sicher nicht in Anbetracht der Nachricht vom Tod der kleinen Bowen, die heute nachmittag, als das Innenministerium die offizielle Bekanntmachung herausgegeben hatte, wie eine Bombe in der Fleet Street eingeschlagen hatte.
    Rodney konnte noch jetzt die hochgezogenen Brauen und offenen Münder seiner Kollegen während der Redaktionskonferenz vor sich sehen, als Luxford verkündet hatte, was er trotz der sich überschlagenden Meldungen über den Todesfall Bowen haben wollte: einen Titelseitenentwurf mit einem alten Foto Wolfie Dukanes beim Tête-à-tête mit dem Abgeordneten Larnsey, das einer der Fotografen nach längeren archäologischen Grabungen im Fotoarchiv der Zeitung zum Vorschein gebracht hatte. Vielleicht war es eine Reaktion auf das Protestgeheul seiner Mitarbeiter, als Luxford gleich darauf einen zweiten Entwurf verlangt hatte, auf dem er ein Foto der Staatssekretärin im Innenministerium sehen wollte, aber nur einen echten Schnappschuß, der Eve Bowen auf dem Weg von einem Ort zu einem anderen zeigte. Keinesfalls wolle er, hatte Luxford erklärt, eine Porträt- oder Publicityaufnahme. Es falle ihm nicht ein, so etwas in Verbindung mit Charlotte Bowens Tod auf der Titelseite seiner Zeitung zu bringen. Er wolle ein neues Bild, ein Bild von heute. Und wenn man ihm ein solches Bild bis zum Drucktermin nicht liefern könne, würden sie eben Sinclair Larnsey und Wolfie Dukane auf die erste Seite der morgigen Ausgabe setzen und die Bowen-Story irgendwo innen abdrucken.
    »Aber das ist doch unser Aufmacher«, hatte Sarah Happleshort protestiert. »Larnsey ist Schnee von gestern. Was spielt es schon für eine Rolle, woher die Bowen-Fotos kommen? Von der Kleinen müssen wir auch ein Schulfoto verwenden, das nicht aus jüngster Zeit stammt. Wen zum Teufel interessiert es schon, wie alt das Bild ihrer Mutter ist?«
    »Mich«, antwortete Luxford. »Unsere Leser. Den

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