Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
Unbeholfen stieg er die Treppe hinunter zur Küche. Deborah folgte ihm. Ihr Gesicht war so weiß wie das Mehl auf ihrem T-Shirt. Sie und St. James stellten sich zu Helen an den Arbeitstisch, Lynley gegenüber.
    »Es tut mir leid«, sagte St. James leise. »Ich hätte gern verhindert, daß es so endet. Ich denke, das weißt du.«
    »Warum hast du dann nichts getan, um es zu verhindern?«
    »Ich habe es versucht.«
    »Was denn?«
    »Ich habe versucht, mit den beiden zu sprechen, mit der Mutter und dem Vater. Sie zur Vernunft zu bringen. Ich habe versucht, sie dazu zu bewegen, die Polizei einzuschalten.«
    »Aber du hast sie nicht zurückgewiesen. Du hast nicht versucht, sie in Zugzwang zu bringen.«
    »Zuerst nicht, nein. Das gebe ich zu. Keiner von uns hat zunächst abgelehnt.«
    »Keiner von euch?« Lynley sah zu Deborah. Sie knüllte den Saum ihres T-Shirts in beiden Händen zusammen. Sie sah tiefunglücklich aus. Er begriff, was St. James' Worte zu bedeuten hatten. Es verschlimmerte ihre Sünde tausendfach. »Deborah?« sagte er. »Deborah ist auch an dieser Schweinerei beteiligt? Mein Gott, habt ihr denn alle den Verstand verloren? Mit einiger Mühe kann ich Helens Beteiligung verstehen, sie hat immerhin durch die Arbeit mit dir ein Quentchen Erfahrung. Aber Deborah? Sie hat bei der Untersuchung einer Kindesentführung etwa so viel verloren wie euer Hund.«
    »Tommy!« sagte Helen.
    »Wer noch?« fragte Lynley. »Wer hat noch mitgemacht? Cotter vielleicht? Oder wart es nur ihr drei Vollidioten, die Charlotte Bowen um ihr Leben gebracht haben?«
    »Tommy, das reicht«, sagte St. James.
    »Nein. Ich bin noch nicht fertig. Und ich werde wahrscheinlich nie damit fertigwerden. Ihr drei tragt die Verantwortung, und ihr sollt genau sehen, wofür.« Er schlug den Hefter auf, den er aus dem Wagen mitgenommen hatte.
    »Nicht hier«, sagte St. James.
    »Nein? Möchtest du nicht sehen, wie es war?« Lynley warf eine Fotografie auf den Tisch. Sie landete direkt vor Deborah.
    »Sieh es dir an«, sagte er. »Vielleicht willst du es dir einprägen für den Fall, daß du noch mehr Kinder umbringen willst.«
    Deborah drückte ihre Faust auf den Mund, aber das reichte nicht, um ihren Aufschrei abzuwürgen. Zornig riß St. James sie vom Tisch weg. »Verschwinde hier, Tommy«, sagte er zu Lynley.
    »So leicht kommt ihr nicht davon.«
    »Tommy!« Helen streckte einen Arm nach ihm aus.
    »Ich möchte wissen, was du weißt«, sagte er zu St. James.
    »Ich will von dir jede kleinste Information, die du hast. Ich will jedes Detail, und gnade dir Gott, Simon, wenn du auch nur eine einzige Tatsache vergißt.«
    St. James hatte Deborah in die Arme genommen. Er sagte langsam: »Nicht jetzt. Ich meine es ernst. Geh jetzt.«
    »Ich gehe erst, wenn ich habe, was ich will.«
    »Ich denke, das hast du eben bekommen«, versetzte St. James.
    »Sprich mit ihm«, sagte Deborah, den Kopf an der Schulter ihres Mannes. »Bitte, Simon. Erzähl ihm alles. Bitte.«
    Lynley sah, wie St. James sorgfältig die Alternativen abwägte und sich schließlich Helen zuwandte: »Geh mit Deborah nach oben.«
    »Sie bleibt hier«, sagte Lynley.
    »Helen«, sagte St. James.
    Ein Moment verstrich, ehe Helen sich entschied. »Komm, Deborah«, sagte sie, und zu Lynley: »Oder möchtest du uns vielleicht aufhalten? Stark genug bist du ja, und ich frage mich, ehrlich gesagt, ob du noch davor zurückschrecken würdest, Frauen anzugreifen. Da du ja offensichtlich sonst vor nichts zurückschreckst.«
    Den Arm um Deborahs Schultern, ging sie an ihm vorbei. Sie stiegen die Treppe hinauf und schlossen die Tür hinter sich.
    St. James sah sich die Fotografie an. Um seinen Mund zuckte es. In der Ferne konnte Lynley den Hund bellen hören. Er hörte Cotters lauten Ruf. Dann endlich blickte St. James auf.
    »Das war absolut unverzeihlich«, sagte er.
    Lynley, der genau wußte, wovon St. James sprach, mißverstand absichtlich. »Stimmt«, sagte er ruhig. »Es war unverzeihlich. Jetzt sag mir, was du weißt.«
    Über den Arbeitstisch hinweg sahen sie einander in die Augen. In der Stille fragte sich Lynley, ob der Freund ihm mit Informationen entgegenkommen oder ihn mit Schweigen strafen würde. Fast dreißig Sekunden vergingen, ehe er die Antwort bekam. St. James begann zu berichten.
    Er erzählte seine Geschichte, ohne aufzusehen. Er führte Lynley durch jeden einzelnen Tag, der seit Charlotte Bowens Verschwinden vergangen war. Er schilderte die Tatsachen. Er zählte seine Indizien auf,

Weitere Kostenlose Bücher