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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Bowen sah weder Lynley noch Nkata an, der sein ledergebundenes Büchlein aus der Tasche zog und die Miene seines Druckbleistifts ausfuhr. Sie hielt den Blick auf die Papiere gerichtet, die vor ihr lagen, mehrere Blätter, die sie aus dem Ringbuch herausgenommen hatte. Es wurde jetzt so rasch dunkel, daß sie nicht mehr lesen konnte, und sie täuschte auch gar nicht vor, es zu tun. Sie strich nur mit einem Finger über den Rand eines der Blätter und hielt den Blick gesenkt, während sie auf Lynleys Antwort wartete.
    »Ja«, sagte Lynley nur.
    »Und was davon haben Sie bis jetzt an die Presse weitergegeben?«
    »Es ist nicht meine Gewohnheit, mich mit den Medien zu unterhalten, falls es das ist, was Ihnen Sorgen macht.«
    »Nicht einmal, wenn die Medien Anonymität garantieren?«
    »Mrs. Bowen, ich bin nicht daran interessiert, Ihre Geheimnisse vor der Presse auszuplaudern. Unter keinen Umständen. Ich bin überhaupt nicht an Ihren Geheimnissen interessiert.«
    »Auch nicht gegen Geld, Inspector?«
    »Auch nicht gegen Geld.«
    »Auch nicht, wenn man Ihnen mehr bietet, als Sie verdienen? Wäre nicht eine nette runde Summe - sagen wir, das Drei- oder Vierfache Ihres Monatsgehalts - ein verlockender Umstand, der in Ihnen ein unersättliches Interesse an meinen Geheimnissen wecken könnte?«
    Lynley spürte, wie Nkata ihn ansah. Er wußte, worauf der Constable wartete: auf Inspector Lynleys scharf geäußerte Entrüstung über diese Zweifel an seiner Integrität, ganz zu schweigen von Lord Ashertons Entrüstung über die Zweifel an seinem Bankkonto. »Mich interessiert«, sagte er, »was Ihrer Tochter zugestoßen ist. Wenn Ihre Vergangenheit damit zu tun hat, wird das früher oder später publik werden. Sie sollten sich darauf vielleicht jetzt schon vorbereiten. Aber ich denke, es wird nicht so schmerzhaft werden wie das, was bereits geschehen ist. Können wir darüber sprechen?«
    Sie hob den Blick von ihren Papieren und sah ihn an. Es war ein taxierender Blick, der nichts von ihr selbst preisgab. Keine Regung war in ihrem Gesicht zu erkennen, keine Emotion in den Augen hinter den Brillengläsern. Doch offenbar hatte sie eine Entscheidung getroffen. Sie senkte leicht das Kinn, was man beinahe als ein Nicken interpretieren konnte, und sagte:
    »Ich habe die Polizei in Wiltshire angerufen. Wir sind gestern nacht sofort hingefahren und haben sie identifiziert.«
    »Wir?«
    »Mein Mann und ich.«
    »Wo ist Mr. Stone?«
    Sie senkte die Lider. Sie griff nach ihrem Weinglas, aber sie trank nicht daraus. »Mein Mann ist oben«, antwortete sie. »Er hat ein Beruhigungsmittel genommen. Der Anblick Charlottes gestern nacht ... Ich glaube, er hat die ganze Fahrt nach Wiltshire gehofft, es würde nicht Charlotte sein. Ich glaube, er hatte es sogar geschafft, sich das einzureden. Als er dann ihren Leichnam sah, hat er es natürlich sehr schlecht aufgenommen.« Sie zog das Weinglas über die Glasplatte des Tisches näher zu sich heran. »Ich denke, unsere Gesellschaft erwartet von Männern zuviel und von Frauen nicht genug.«
    »Keiner von uns weiß, wie er auf einen Todesfall reagieren wird«, sagte Lynley. »Bis es soweit ist.«
    »Ja, das ist vermutlich wahr.« Sie gab dem Glas eine Vierteldrehung und beobachtete, wie die Bewegung sich auf seinen Inhalt auswirkte. »Sie wußten, daß sie ertrunken ist«, sagte sie.
    »Die Polizei in Wiltshire, meine ich. Aber sonst wollten sie uns nichts sagen. Nicht wo, nicht wann, nicht wie. Besonders zu der letzten Frage haben sie sich ausgeschwiegen. Ich finde das ziemlich merkwürdig.«
    »Sie müssen auf den Obduktionsbefund warten«, erklärte Lynley.
    »Dennis hat als erster hier angerufen. Er behauptete, er habe in den Nachrichten davon gehört.«
    »Luxford?«
    »Dennis Luxford, ja.«
    »Mr. St. James sagte mir, daß Sie ihn in Verdacht hatten, an der Entführung beteiligt zu sein.«
    »In Verdacht habe«, korrigierte sie. Sie nahm die Hand vom Weinglas und begann, die Papiere auf dem Tisch zu glätten. Ihre Bewegungen erinnerten an die einer Schlafwandlerin. Lynley fragte sich, ob auch sie ein Beruhigungsmittel genommen hatte, so langsam strichen ihre Hände über die Papiere.
    »Soweit ich unterrichtet bin, Inspector«, sagte sie, »liegt derzeit noch kein Hinweis darauf vor, daß Charlotte ermordet wurde. Ist das richtig?«
    Lynley wollte den Verdacht, der sich trotz der Fotografien, die er gesehen hatte, in ihm gebildet hatte, nicht gern äußern. Er antwortete deshalb nur: »Nur die

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