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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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zu treffen, und es hatte ihn auch nicht gekümmert, ob sie etwas zur Verhütung tat. Er hatte nicht einmal an die Möglichkeit gedacht, daß durch das, was sie taten, ein neues Leben entstehen könnte. Er hatte es nur als Wettkampf gesehen, eine Notwendigkeit, um ihr - und vor allem sich selbst - zu beweisen, daß er der Überlegene war.
    Er hatte sie nicht geliebt. Er hatte das Kind nicht geliebt. Er hatte sie beide nicht haben wollen. Die wenigen Anwandlungen von Schuldgefühl, die er verspürte, hatte er gestillt, indem er »die Sache« auf eine Weise »geregelt« hatte, die garantierte, daß er mit keiner von beiden je in Berührung kommen würde. Eigentlich hätte er jetzt also nichts empfinden dürfen als Erbitterung und Entsetzen darüber, daß Evelyns blinde Sturheit ein Menschenleben gekostet hatte.
    Tatsächlich jedoch ging das, was er fühlte, weit über Erbitterung und Entsetzen hinaus. Er war voller Schuldgefühle, Zorn, Schmerz und Bedauern. Er war verantwortlich für das Leben eines Kindes, das er nie auch nur zu sehen versucht hatte, und er war, dessen war er sich vollauf bewußt, ebenso verantwortlich für den Tod dieses Kindes, das er nun niemals kennenlernen würde. Daran konnte nichts mehr etwas ändern. Wie betäubt zog er die Tastatur des Computers zu sich heran. Er rief die Story auf, die Charlottes Leben gerettet hätte. Er las die erste Zeile: »Als ich sechsunddreißig Jahre alt war, habe ich eine Frau geschwängert.« In die Stille hinein - eine Stille, die von den Geräuschen aus dem Nachrichtenraum der Zeitung, zu deren Wiederaufbau man ihn eingestellt hatte, untermalt wurde - sprach er das Schlußwort der schrecklichen Geschichte: »Als ich siebenundvierzig war, habe ich das Kind getötet.«

16
    Als Lynley zur Devonshire Place Mews kam, sah er, daß Hillier sich bereits heftig betätigt hatte, um die Forderungen des Innenministers nach effizientem und zügigem Handeln zu erfüllen. An der Einmündung zur Straße hatte man Sägeböcke aufgestellt, die von einem Constable bewacht wurden. Ein zweiter Constable war vor der Tür von Eve Bowens Haus postiert.
    Es dämmerte. Hinter den Böcken drängten sich in einer Traube, die bis auf die Marylebone High Street hinausquoll, die Medienleute: mehrere Fernsehteams, die gerade dabei waren, Scheinwerfer aufzustellen, um ihre Berichterstatter zu filmen, Zeitungsreporter, die den Beamten, der ihnen am nächsten war, mit Fragen bombardierten, und Fotografen, die ungeduldig auf eine Gelegenheit warteten, jeden, der irgendwie mit dem Fall zu tun hatte, aufs Korn zu nehmen.
    Als Lynley den Bentley vor dem Bock anhielt, um dem Posten seinen Dienstausweis zu zeigen, umstellten die Journalisten den Wagen und fielen mit ihren Fragen über Lynley her. Ob es sich bei dem Tod des Kindes um Mord handle. Wenn ja, ob es bereits Verdächtige gebe. Ob etwas Wahres an dem Gerücht sei, daß es eine Gewohnheit der kleinen Bowen gewesen sei, immer gleich von zu Hause durchzubrennen, wenn ihr eine Laus über die Leber gelaufen sei. Ob Scotland Yard mit der zuständigen Polizei zusammenarbeiten werde. Ob es zutreffe, daß heute abend wichtiges Beweismaterial im Haus der Abgeordneten sichergestellt werden sollte. Ob Detective Inspector Lynley sich in Zusammenhang mit dem Fall zu Spekulationen über Kindesmißbrauch, Mädchenhandel, Teufelsanbetung, Pornografie und Ritualmord äußern wollte. Ob die Polizei vermute, die IRA sei in die Sache verwickelt. Ob das Kind vor seinem Tod sexuell belästigt worden sei.
    Lynley sagte nur: »Kein Kommentar« und bat den Constable, ihm den Weg frei zu machen. Er lenkte den Bentley in die Devonshire Place Mews.
    Als er aus dem Wagen stieg, hörte er von hinten schnelle Schritte und drehte sich um. Detective Constable Winston Nkata kam ihm vom anderen Ende der Straße entgegen.
    »Nun?« fragte Lynley, als Nkata ihn erreicht hatte.
    »Nichts zu holen.« Nkata blickte die Straße hinauf und hinunter. »Ich habe zwar außer in zwei Häusern überall jemanden angetroffen, aber kein Mensch hat was gesehen. Sie haben die Kleine alle gekannt - sie scheint ein kontaktfreudiges kleines Ding gewesen zu sein und hat mit jedem geschwatzt, der bereit war, ihr zuzuhören -, aber am letzten Mittwoch hat sie niemand gesehen.«
    Nkata schob ein kleines, in Leder gebundenes Notizbuch in die Innentasche seines Jacketts und ließ ihm einen Druckbleistift folgen, bei dem er zuvor sorgsam die Miene eingeschoben hatte. »Ich hab' mich ziemlich lang mit

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