08 - Im Angesicht des Feindes
Bescheid.«
»Worüber?«
»Über uns. Über Charlotte.«
Das schien sie aus der Fassung zu bringen, wenn auch nur einen Moment lang. Zunächst sagte sie gar nichts. Er glaubte hören zu können, wie sie mit einem Finger gegen die Muschel des Telefonhörers trommelte. Dann sagte sie abrupt:
»Quatsch!«
»Nein. Hör mir doch nur mal zu.« Er las ihr das kurze Schreiben vor. Wieder sagte sie nichts. Irgendwo im Hintergrund lachte jemand laut. » Erstgeborenes Kind, heißt es da«, sagte Luxford. »Jemand weiß Bescheid. Hast du es jemandem erzählt?«
»Freigelassen?« sagte sie. »›Charlotte wird freigelassen‹?«
In der nachfolgenden Stille spürte Luxford förmlich, wie ihr Verstand arbeitete, während sie versuchte, den möglichen Schaden an ihrer Glaubwürdigkeit und das Ausmaß des politischen Fallout abzuschätzen. »Gib mir deine Nummer«, sagte sie schließlich. »Ich rufe dich zurück.«
Das hatte sie getan. Aber sie war eine andere gewesen. »Dennis, Gott verdamm dich«, hatte sie gesagt. »Was hast du getan?«
Keine Tränen, keine Angst, keine Hysterie, keine Selbstvorwürfe, keine Wut. Nur diese wenigen Worte. Und das Ende seiner Hoffnung, daß der Brief nur ein Bluff sei. Niemand bluffte hier, wie es jetzt schien. Charlotte war verschwunden.
Jemand hatte sie in seiner Gewalt, jemand, der die Wahrheit wußte.
Er mußte diese Wahrheit vor Fiona verborgen halten. Sie hatte es sich zu einer Art heiligen Pflicht gemacht, in ihrer zehn Jahre währenden Ehe keine Geheimnisse vor ihm zu haben. Unausdenkbar, wie tief das Vertrauen zwischen ihnen erschüttert werden würde, sollte sie das eine Geheimnis erfahren, das er vor ihr bewahrt hatte. Es war schlimm genug, daß er ein Kind gezeugt hatte, das er niemals gesehen hatte. Das würde Fiona ihm vielleicht verzeihen. Aber dieses Kind in der Zeit gezeugt zu haben, als er Fiona umworben, ein Band zwischen ihnen geknüpft hatte ... Sie würde alles, was von diesem Moment an zwischen ihnen geschehen war, nur noch als die eine oder andere Variation von Verlogenheit sehen. Und Verlogenheit würde sie niemals verzeihen.
Luxford bog von der Highgate Road ab und folgte der Krümmung der Millfield Lane an der Hampstead Heath entlang, wo kleine schwankende Lichter auf dem Weg entlang der Teiche ihm zeigten, daß trotz der späten Stunde und der Dunkelheit noch Radfahrer unterwegs waren, die das freundliche Spätmaiwetter genossen. Er bremste ab, als die Backsteinmauer, die sein Grundstück begrenzte, hinter einer Hecke aus Buchs und Stechpalmen auftauchte. Er fuhr zwischen den Pfeilern hindurch und lenkte den Wagen die Auffahrt hinauf zu der Villa, in der sie seit acht Jahren lebten.
Fiona war im Garten. Aus der Ferne sah Luxford den Schimmer ihres weißen Morgenmantels, der sich vom Dunkelgrün der Farne abhob, und ging über die unregelmäßig gelegten Steinplatten zu ihr. Wenn Fiona die Ankunft des Wagens gehört hatte, so zeigte sie es nicht. Sie schlug den Weg zum größten Baum des Gartens ein, einer schirmartig ausladenden Hainbuche, unter der am Rand des Gartenteichs eine Holzbank stand.
Die langen Mannequin-Beine hochgezogen, die wohlgeformten Füße unter dem fließenden Fall ihres Morgenmantels verborgen, hockte sie auf dieser Bank, als er sie erreichte. Sie hatte sich das Haar hochgesteckt, und das erste, was er tat, nachdem er sich zu ihr gesetzt und sie liebevoll geküßt hatte, war, die Nadeln zu lösen, so daß es ihr über die Schultern herabfiel. Er betrachtete sie wie stets mit einer Mischung aus Ehrfurcht, Begehren und tiefem Staunen darüber, daß dieses herrliche Geschöpf tatsächlich seine Frau war.
Er war froh um die Dunkelheit, die diese erste Begegnung zwischen ihnen leichter machte. Und er war froh, sie im Freien angetroffen zu haben, denn ihr Garten - das krönende Werk ihres Hausfrauendaseins, wie sie gern sagte - bot ihm Gelegenheit, sie abzulenken.
»Ist dir nicht kalt?« fragte er. »Möchtest du meine Jacke haben?«
»Der Abend ist so schön«, antwortete sie. »Ich habe es drinnen einfach nicht ausgehalten. Was meinst du, bekommen wir einen scheußlichen Sommer, wenn es im Mai so herrlich ist?«
»Tja, meistens ist es so.«
Ein Fisch durchbrach den Wasserspiegel des Teichs zu ihren Füßen und schlug mit der Schwanzflosse auf ein Seerosenblatt.
»Das ist unfair«, sagte Fiona. »Der Frühling sollte eine Verheißung sein, die der Sommer erfüllt.« Sie wies zu einer Gruppe junger Birken in einer Mulde, vielleicht
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