08 - Im Angesicht des Feindes
Fingern über das dichte, rauhe Fell. Sie setzte sich auf das Bett. Dann legte sie sich, mit Mrs. Tiggy-Winkle im Arm, in die Kissen. Sie dachte nach.
Sie hätte das Kind nie bekommen sollen. Sie hatte es in dem Moment gewußt, als der Arzt sagte: »Ach, ein entzückendes kleines Mädchen« und ihr das blutverschmierte, warme, zuckende kleine Ding auf den Bauch legte, »Ich weiß genau, was Sie in diesem Moment empfinden, Eve«, hatte er gefühlvoll geflüstert. »Ich habe selbst drei Kinder.« Alle im Zimmer - und es war ihr vorgekommen, als wären es Dutzende von Menschen - hatten Angemessenes über die Schönheit des Augenblicks gemurmelt, das Wunder der Geburt, das große Glück, ein gesundes, wohlgestaltetes, herzhaft schreiendes Kind zur Welt gebracht zu haben. Wunderbar, bewegend, ehrfurchtgebietend, erstaunlich, unglaublich, beglückend, außergewöhnlich. Noch nie hatte Eve innerhalb von fünf Minuten so viele Adjektive zur Beschreibung eines Vorganges gehört, der ihren Körper achtundzwanzig qualvolle Stunden lang gemartert hatte und der in ihr nichts hinterlassen hatte als den Wunsch nach Frieden, Stille und Alleinsein.
Am liebsten hätte sie gesagt, nehmt sie von mir herunter, bringt sie weg. Sie spürte den drohenden Kontrollverlust, der sie diese Worte aussprechen lassen würde. Seine Vorboten krochen ihr von den Fingerspitzen zu den Lippen hinauf. Aber sie war eine Frau, die selbst in extremis niemals vergaß, wie wichtig das Image war. Darum hatte sie ihre Finger leicht auf den ungewaschenen Kopf und dann auf die Schultern des schreienden Säuglings gelegt und hatte für alle Anwesenden ein strahlendes Lächeln hervorgebracht. Damit keiner von ihnen, wenn es soweit war und die gesamte Sensationspresse in ihrer Vergangenheit nach schmutzigen kleinen Begebenheiten graben würde, um ihren Aufstieg zur Macht zu verhindern, etwas Negatives über sie würde berichten können.
Als sie festgestellt hatte, daß sie schwanger war, hatte sie mit dem Gedanken an einen Abbruch gespielt. In das Gedränge der Fahrgäste in der U-Bahn eingekeilt, hatte sie eines Tages ein schmales Poster über einem der Fenster gelesen - Frauengesundheitszentrum Lambeth: Sie haben eine Wahl - und sich über die Möglichkeit Gedanken gemacht, einen schnellen Ausflug nach Südlondon zu unternehmen und all den Schwierigkeiten, die ihr eine Schwangerschaft einbringen würde, ein Ende zu bereiten. Sie hatte daran gedacht, unter falschem Namen einen Termin zu vereinbaren. Sie hatte sich überlegt, daß sie ihr Aussehen verändern und sich einen Akzent zulegen könnte. Aber dann hatte sie das alles als hysterische Hirngespinste einer Frau verworfen, deren Hormone durch die Schwangerschaft in Aufruhr geraten waren. Triff auf keinen Fall irgendwelche unüberlegten Entscheidungen, hatte sie sich gesagt. Spiel jede Möglichkeit genau durch und versuche vorauszusehen, wohin jeder einzelne Weg führen wird.
Als sie jede Möglichkeit überdacht hatte, war ihr klar, daß der einzig sichere Kurs der war, das Kind zu bekommen und zu behalten. Eine Abtreibung konnte später, wenn sie sich als lebenslange Kämpferin für den Erhalt und den Schutz der Familie präsentierte, nur allzuleicht gegen sie verwendet werden. Das Kind zur Adoption freizugeben, wäre eine Möglichkeit gewesen, aber nicht, wenn sie sich in künftigen, von ihr bereits fest eingeplanten Wahlkämpfen als arbeitende Mutter »wie so viele von ihnen« darstellen wollte. Sie konnte auf eine Fehlgeburt hoffen, aber sie war kerngesund, und alle ihre Organe arbeiteten prächtig. Außerdem konnte eine Fehlgeburt in der Vergangenheit leicht zu Getuschel und Zweifeln in der Zukunft Anlaß geben: Hatte sie - eine ledige Mutter - vielleicht etwas unternommen, um eine Fehlgeburt herbeizuführen? Hatte sie ihrem Körper irgendwie Gewalt angetan? Gab es vielleicht eine Vorgeschichte von Alkohol- oder Drogenmißbrauch, die näher beleuchtet werden sollte? Und Zweifel waren in der Politik tödlich.
Ursprünglich war es ihre Absicht gewesen, die Identität des Vaters vor jedermann geheimzuhalten, auch vor dem Vater selbst. Doch ein unerwartetes Zusammentreffen mit Dennis Luxford fünf Monate nach Blackpool hatte diesen Plan zunichte gemacht. Er war kein Narr. Als sie ihn auf der anderen Seite des Hauptfoyers im Parlament sah und bemerkte, wie er sie von oben bis unten musterte, um ihr dann direkt in die Augen zu sehen, wußte sie, zu welcher Schlußfolgerung er gelangt war. Sie hatte sich bei
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