Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
es aus und goß sich aus einer Flasche Weißwein, die in einem Kübel auf dem Boden stand, neu ein.
    »Es würde mich interessieren«, sagte sie, »wieviel er Ihnen für diese Farce bezahlt.«
    St. James war verblüfft. »Wie bitte?«
    »Es ist doch klar, daß Luxford hinter dieser Sache steckt. Aber ich sehe Ihnen an, daß er Ihnen das noch nicht anvertraut hat. Wie klug von ihm.« Sie setzte sich in den Sessel, in dem sie offensichtlich vor ihrer Ankunft schon gesessen hatte, und wies sie zu einer dunkelbraunen Polstergarnitur, die aussah, als bestünde sie aus riesigen, aneinandergenähten Kissen. Sie stellte ihr Weinglas auf ihre Knie und balancierte es mit beiden Händen auf dem schmalen Rock ihres schwarzen Nadelstreifenkostüms. Bei diesem Anblick erinnerte sich St. James plötzlich an ein Interview mit der Staatssekretärin, das er gelesen hatte, kurz nachdem sie von der Regierung in ihr derzeitiges Amt berufen worden war. Keiner würde ihr nachsagen können, daß sie nach Art ihrer Kolleginnen im Unterhaus versuche, die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, hatte sie erklärt. Sie sähe keine Notwendigkeit, sich in Scharlachrot zu werfen, um sich von den Männern abzuheben. Das schaffe sie auch mit ihrem Verstand.
    »Dennis Luxford ist ein gewissenloser Mensch«, sagte sie unvermittelt. Ihre Stimme war kühl und schneidend. »Er ist der Dirigent, der bei diesem Stück den Taktstock schwingt. Nicht direkt, natürlich. Ich vermute, selbst er würde sich scheuen, kleine Mädchen von der Straße weg zu entführen, obwohl er wahrhaftig vor keiner Schweinerei zurückschreckt. Aber machen Sie sich nur nichts vor, er hält Sie zum Narren und versucht das auch mit mir. Aber ich lasse es mir nicht gefallen.«
    »Wie kommen Sie darauf, daß er an der Entführung beteiligt sein könnte?« St. James ließ sich auf dem Sofa nieder und fand es trotz seiner Formlosigkeit ausgesprochen bequem. Vorsichtig streckte er sein geschientes Bein aus. Helen blieb, wo sie war. Sie stand vor dem Kamin und einer Wandnische, in der eine Sammlung von Trophäen ausgestellt war. Sie wollte Eve Bowen von einem Platz aus beobachten können, wo es nicht auffiel.
    »Weil es nur zwei Menschen gibt, die wissen, wer der Vater meiner Tochter ist. Der eine bin ich. Der andere ist Dennis Luxford.«
    »Ihre Tochter selbst weiß es nicht?«
    »Natürlich nicht. Und es ist ausgeschlossen, daß sie von selbst dahintergekommen sein könnte.«
    »Und Ihre Eltern? Ihre Familie?«
    »Niemand, Mr. St. James, außer Dennis und mir.« Sie trank einen gemessenen Schluck von ihrem Wein. »Sein Revolverblatt hat es sich zum Ziel gemacht, die Regierung zu Fall zu bringen. Und im Augenblick spielen ihm die Umstände in die Hände. Er sieht eine Gelegenheit, die Konservative Partei ein für allemal zu erledigen, und er versucht, sie zu ergreifen.«
    »Ich kann Ihnen nicht recht folgen.«
    »Die Geschichte kommt ihm doch sehr zupaß, finden Sie nicht? Das Verschwinden meiner Tochter. Ein angebliches Entführerschreiben in seinem Besitz. Eine Forderung, die Wahrheit über meine Tochter publik zu machen. Und das alles folgt unmittelbar auf Sinclair Larnseys Eskapaden mit einem minderjährigen Jungen in Paddington.«
    »Mr. Luxford hat sich nicht gerade wie ein Mann benommen, der dabei ist, eine kleine Entführungsstory zu inszenieren, um Sie den Sensationsblättern zum Fraß hinwerfen zu können«, bemerkte St. James.
    »Nicht den Sensationsblättern im Plural«, entgegnete sie.
    »Einem einzigen Sensationsblatt - dem seinen. Er wird bestimmt nicht zulassen, daß ihm die Konkurrenz seinen Knüller wegschnappt.«
    »Ihm scheint aber ebensoviel wie Ihnen daran zu liegen, nichts publik werden zu lassen.«
    »Befassen Sie sich mit dem Studium menschlichen Verhaltens, Mr. St. James? Gehört das zu Ihren zahlreichen Begabungen?«
    »Ich halte es für klug, mir ein Bild von den Menschen zu machen, die mich um Hilfe bitten. Ehe ich einwillige, ihnen zu helfen.«
    »Wie umsichtig. Wenn wir einmal mehr Zeit haben, werde ich Sie vielleicht fragen, was für ein Bild Sie sich von mir gemacht haben.« Sie stellte ihr Weinglas neben ihren Aktenkoffer. Sie nahm die Schildpattbrille mit den runden Gläsern ab, rieb diese an der Armlehne ihres Sessels, als wollte sie sie polieren, und musterte dabei St. James. Das Schildpattgestell hatte etwa die gleiche Farbe wie ihr wohlfrisierter Pagenkopf, und als sie die Brille wieder aufsetzte, stieß ihr oberer Rand an die Spitzen des

Weitere Kostenlose Bücher