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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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langsam, wenn nicht bald jemand ein Interesse daran zeigt, sie zu erhalten. Diese hier ist seit zehn Jahren nicht mehr in Betrieb. Das Haus steht seitdem leer. Es ist da unten, bei der Straße.«
    »Sie kennen den Ort hier?«
    »Aber ja.« Er lachte leise. »Wie jeden anderen im Umkreis von zwanzig oder dreißig Kilometern, wo ein verknallter Siebzehnjähriger an einem warmen Sommerabend mit seinem Mädchen Dummheiten machen kann. Das gehört dazu, wenn man auf dem Land aufwächst, Barbara. Hier weiß jeder, wo er ungestört ist, wenn er ein bißchen im Dunkeln munkeln will. Ich könnte mir denken, daß es in der Stadt genauso ist, oder?«
    Sie hatte keine Ahnung. Weder munkeln im Dunkeln noch liebefein im Mondenschein hatten bei ihr je zum regelmäßigen Zeitvertreib gehört. Dennoch antwortete sie: »Klar, ganz recht.«
    Robin quittierte ihre Zustimmung mit einem verständnisinnigen Grinsen, das besagte, daß nach diesem Austausch persönlicher Vertraulichkeiten ein neues Fädchen in das Band ihrer Freundschaft gewoben worden sei. Wüßte er die Wahrheit über ihr trostloses Liebesleben, dachte Barbara, so würde er sie als die Niete des Jahrhunderts betrachten und sie nicht ansehen, als hätten sie die gleichen Grapsch- und Tatschspielchen hinter sich, wenn auch auf unterschiedlichen Spielplätzen. Sie hatte als junges Mädchen mit keinem gegrapscht und getatscht, und was sie als Erwachsene getan hatte, war ihrer Erinnerung so fern, daß sie nicht einmal mehr wußte, mit wem sie den ekstatischen Moment vollzogen hatte. War es ein Michael gewesen? Ein Martin? Ein Mick? Sie konnte sich nicht entsinnen. Sie erinnerte sich nur noch an Unmengen billigen Weins, genug Zigarettenrauch, um eine Kleinstadt einzunebeln, ohrenbetäubende Musik, die wie Jimi Hendrix auf Speed klang - was wahrscheinlich der ganz normale Jimi Hendrix war, wenn sie sich das jetzt überlegte -, und eine Bodenfläche, auf der sich noch sechs andere Pärchen in Ekstase gewälzt hatten. Ach, wenn sie ewig grün bliebe ...
    Unter einer verwitterten Galerie, die sich über ihren Köpfen außen um die Mühle wand, folgte sie Robin. Sie kamen an zwei ausgedienten Mühlsteinen vorüber, die von Flechten überzogen auf dem Boden lagen, und hielten vor einer Bogentür aus Holz an. Robin wollte sie öffnen, hob schon die Hand, um gegen das Holz zu drücken, doch Barbara hielt ihn zurück. Sie richtete ihre Taschenlampe auf die Tür und musterte die alte Holzfüllung von oben bis unten. Dann wandte sie sich dem Schloß zu, das sich in Schulterhöhe befand. Es war aus Messing, neu, überhaupt nicht abgenützt. In ihrem Magen begann es zu kribbeln, als sie das sah und sich klarmachte, was es bedeuten konnte, wenn man bedachte, wie heruntergekommen die Mühle und das Haus der einstigen Eigentümer waren.
    »Genau das hab' ich auch gedacht«, unterbrach Robin sie in ihren schweigenden Überlegungen. »Nachdem ich in sämtlichen Wassermühlen und Sägemühlen und Windmühlen im ganzen Landkreis rumgekrochen war, hätt' ich mir beinahe in die Hose gemacht, wie ich das hier gesehen hab'. Drinnen gibt's noch mehr zu sehen.«
    Barbara griff in ihre Umhängetasche und zog ein Paar Handschuhe heraus. »Haben Sie -«
    »Die hier«, sagte er und nahm zwei zerdrückte Arbeitshandschuhe aus der Tasche seiner Jacke. Sie streiften die Handschuhe über, dann wies Barbara mit einer Kopfbewegung auf die Tür, die nicht abgeschlossen war, und Robin stieß sie auf. Sie traten ins Innere der Mühle.
    Boden und Mauern des Innenraums waren aus Backstein. Fenster gab es keine. Es war kalt und feucht wie in einem Grab, und es roch nach Moder, Mäusedreck und faulenden Äpfeln.
    Barbara fröstelte in der Kälte. »Wollen Sie meine Jacke haben?« fragte Robin. Als sie verneinte, kauerte er auf dem Boden nieder und zündete die Laterne an, die er mitgebracht hatte. Er drehte an einem Knopf, bis die Flamme hell wurde. Die Taschenlampe war bei dem starken Licht nicht mehr nötig. Barbara knipste sie aus und stellte sie auf einen Stapel Kisten auf der gegenüberliegenden Seite des kleinen runden Raumes. Es waren diese Kisten, von denen der Geruch nach faulenden Äpfeln ausging. Barbara stemmte eine der Latten auf. Dutzende längst vergessener Äpfel lagen braun und verschrumpelt in der Kiste.
    Noch ein anderer, feinerer Geruch hing in der Luft. Barbara versuchte, ihn zu identifizieren und seinen Ursprung zu finden, während Robin zu einer schmalen Treppe ging, die zu einer Falltür in der

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