08 - Im Angesicht des Feindes
Satz nicht vollenden konnte. »Wir beide?« stotterte sie. »Er mit mir? Das glauben Sie im Ernst?«
»Ich weiß es.«
Barbara kramte in ihrer Tasche nach ihren Zigaretten. Sie war durcheinander. Es war schwer zu glauben, daß diese junge Frau mit ihrem schicken Haarschnitt und ihrer schicken Kleidung und ihrem etwas rundlichen, aber unbestreitbar hübschen Gesicht ausgerechnet sie als Rivalin betrachten sollte. Sie, Barbara Havers, mit ihren ungezupften Augenbrauen und ihrem zerzausten Haar, mit ihrer ausgebeulten braunen Hose und dem voluminösen Pullover, die sie trug, um einen Körper zu verbergen, der so plump und formlos war, daß sie schon seit zehn Jahren kein Mann mehr mit Begehren angesehen hatte. Und auch damals war dies nur unter dem Einfluß von solchen Unmengen von Alkohol passiert, daß ... Das ist echt Wahnsinn, dachte Barbara. Es geschehen doch noch Zeichen und Wunder.
»Celia«, sagte sie fest, »beruhigen Sie sich. Zwischen Robin und mir läuft überhaupt nichts. Ich habe ihn ja erst vor zwei Tagen kennengelernt. Und da hab' ich ihn zur Feier des Tages erst mal auf den Boden gefeuert und bin ihm dann auch noch kräftig auf die Hand getreten.« Sie grinste. »Das, was Sie da bei ihm sehen, hat mit Verliebtheit oder so gar nichts zu tun. Er überlegt wahrscheinlich nur, wie er sich bei nächster Gelegenheit am besten an mir rächen kann.«
Celia stimmte nicht in ihre Heiterkeit ein. Sie stand auf und trug ihre Tasse zur Arbeitsplatte, spülte sie aus und schichtete sie vorsichtig auf die anderen, die kunterbunt in einer Geschirrablage übereinandergestapelt waren. »Das ändert nichts«, sagte sie.
»Was ändert nichts?«
»Wann Sie ihn kennengelernt haben. Oder wie. Oder auch wieso. Ich kenne Robin. Ich kann ihm alles vom Gesicht ablesen. Zwischen uns ist es aus, und der Grund dafür sind Sie.« Sie trocknete sich die Hände an einem Küchentuch ab und rieb sie dann aneinander, als wollte sie sie von Staub befreien, von Barbara, vor allem aber von dieser Begegnung.
Mit einem förmlichen Lächeln wandte sie sich Barbara wieder zu. »Gibt es noch irgend etwas, worüber Sie mit mir sprechen möchten?« fragte sie in einem Ton, den sie garantiert solchen Bankkunden gegenüber anschlug, die sie tief verabscheute.
Auch Barbara stand jetzt auf. »Nein, ich glaube nicht«, antwortete sie. Und als Celia zur Tür ging, fügte sie hinzu: »Sie täuschen sich, Celia. Wirklich. Es ist nichts passiert.«
»Bis jetzt vielleicht nicht«, erwiderte Celia und eilte die Treppe hinunter.
Winston Nkata hatte keine Zeit, Eve Bowen nach Hause zu fahren. Lynley forderte deshalb einen Wagen an, der sie aus der Tiefgarage abholen und ungesehen nach Hause bringen sollte. Eve hatte geglaubt, der Wechsel des Fahrzeugs - vom auffallenden silbernen Bentley zu diesem unprätentiösen, keinesfalls blitzsauberen beigefarbenen Golf - würde die Reportermeute von ihrer Spur ablenken. Aber sie hatte sich geirrt. Der Fahrer versuchte es mit einigen geschickten Täuschungsmanövern über die Tothill, die Dartmouth und die Old Queens Street, aber er hatte es mit Experten in der Kunst der Verfolgung zu tun. Zwei Wagen, deren Fahrer fälschlich vermuteten, sein Ziel sei das Innenministerium, konnte er abschütteln, aber ein drittes Fahrzeug nahm ihre Spur auf, als sie in nördlicher Richtung am St. James's Park entlangbrausten. Der Fahrer dieses Wagens hängte sich sofort an sein Autotelefon, es war daher damit zu rechnen, daß weitere Verfolger die Jagd aufnehmen würden, noch ehe Eve Bowen Marylebone erreichte.
Der Premierminister hatte kurz nach Mittag, in feierlichem Ernst auf der Treppe vor der Downing Street Nummer zehn stehend, ihren Rücktritt bekanntgegeben. Seine Verlautbarung war Ton und Ausdruck nach eine gekonnte Gratwanderung zwischen der Mißbilligung, die man von einem Staatsoberhaupt, das sich die Rückbesinnung auf britische Grundwerte aufs Panier geschrieben hatte, erwartete, und der Anerkennung, die ein Parteifreund einer geschätzten Mitarbeiterin, die ihm unermüdlich und in hervorragender Weise gedient hatte, schuldig war. Der Premierminister schaffte es, genau den richtigen Ton des Bedauerns anzuschlagen und sich doch gleichzeitig von ihr zu distanzieren. Aber er hatte ja auch gute Leute, die ihm seine Reden schrieben. Vier Stunden später hatte Colonel Woodward vor dem Haus des Bezirksbüros in Marylebone von sich hören lassen. Seine Bekanntmachung war kurz und prägnant gewesen, glänzend geeignet, um
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