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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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bedauernd oder vielleicht auch aggressiv reagieren. Mit diesem Ausdruck hoffnungsloser Traurigkeit, der sich auf seinem Gesicht zeigte, hatte sie nicht gerechnet.
    »Ich verlange eine Erklärung«, sagte sie.
    »Was soll ich denn noch sagen?«
    »Du sollst überhaupt nichts. Ich möchte wissen, was los ist. Ich möchte wissen, warum. Ich finde, soviel bist du mir schuldig.«
    »Du warst also zu Hause.«
    »Natürlich war ich zu Hause. Was hast du denn gedacht? Hast du damit gerechnet, daß mir die Reporter mitteilen würden, daß mein Mann mich verlassen hat? Ich nehme doch an, du hast es fertiggebracht, deinen Auszug direkt unter ihren Augen zu veranstalten?«
    »Das meiste habe ich gestern nacht erledigt. Den Rest heute morgen. Da waren noch keine Reporter da.«
    »Wo wohnst du jetzt?«
    »Das ist unwichtig.«
    »Ach ja? Wieso?« Sie blickte zur Tür. Sie erinnerte sich an den Ausdruck, der über das Gesicht der Buchhalterin geflogen war, als diese sie hinter Alex im Korridor hatte stehen sehen. Was hatte sich darin gespiegelt? Erschrecken? Bestürzung? Selbstzufriedenheit? Was? Sie fragte: »Wer ist die Frau?«
    Alex schloß einen Moment müde die Augen. Es schien ihn Anstrengung zu kosten, sie wieder zu öffnen. »Du glaubst, das sei alles, worum es hier geht? Um eine andere Frau?«
    »Deswegen bin ich ja hergekommen. Weil ich verstehen möchte, worum es geht.«
    »Ja, das ist mir klar. Aber ich weiß nicht, ob ich es dir erklären kann. Nein, das stimmt nicht. Ich kann es erklären. Ich kann erklären und erklären - bis morgen früh, wenn du das willst.«
    »Es ist ein Anfang.«
    »Aber am Ende meiner Erklärungen wird es sein wie am Anfang. Du wirst es nicht verstehen. Und darum ist es für uns beide besser, einfach auseinanderzugehen, Vergangenes ruhen zu lassen und uns gegenseitig das Schlimmste zu ersparen.«
    »Du willst dich scheiden lassen. Stimmt's? Nein. Warte. Antworte mir noch nicht. Ich möchte das richtig verstehen.« Sie ging zum Schreibtisch, legte ihre Tasche darauf nieder und drehte sich zu ihm um. Er blieb an der Tür stehen. »Ich habe gerade die schlimmste Woche meines Lebens durchgemacht, und es ist noch nicht vorbei. Man hat meinen Rücktritt aus der Regierung verlangt. Man hat mir mitgeteilt, daß ich bei den nächsten Parlamentswahlen meinen Sitz räumen muß. Mein Privatleben wird in sämtlichen Revolverblättern des Landes breitgetreten. Und du willst dich scheiden lassen.«
    Er öffnete den Mund und atmete durch. Er sah sie an, aber es war kein Funke des Erkennens in seinem Blick. Es war, als habe er sich in eine andere Welt zurückgezogen, deren Bewohner mit der Frau, mit der er in diesem Moment in seinem Büro stand, nichts gemeinsam hatten. »Hör dir doch nur einen Moment lang selbst zu«, sagte er müde. »Verdammt noch mal, Eve. Hör dir zu, dann weißt du es.«
    »Was?«
    »Wer du eigentlich bist.«
    Sein Ton war nicht kalt und auch nicht niedergeschlagen. Er war nur resigniert, so resigniert, wie sie es bei ihm noch nie gehört hatte. Er sprach wie jemand, der zu einer endgültigen Schlußfolgerung gelangt war, aber ob sie diese Schlußfolgerung verstand, schien ihm völlig gleichgültig zu sein. Sie kreuzte die Arme und legte ihre Hände um ihre Ellbogen. Sie drückte ihre Fingernägel in ihre Haut. »Ich weiß genau, wer ich bin«, entgegnete sie wütend. »Im Augenblick bin ich für sämtliche Zeitungen in diesem Land das gefundene Fressen. Ich bin die Zielscheibe des allgemeinen Spotts. Ich bin eins der vielen Opfer einer machthungrigen Presse, die es darauf anlegt, die öffentliche Meinung zu beeinflussen und einen Regierungswechsel herbeizuführen. Aber ich bin auch diene Frau, und als deine Frau erwarte ich klare Antworten. Nach sechs Jahren Ehe schuldest du mir etwas mehr als Psychogequatsche, Alex. ›Hör dir doch nur mal zu, dann weißt du, wer du bist‹ ist keine Antwort. Das reicht höchstens für einen Riesenkrach. Und den wird es gleich geben, wenn du mir nicht endlich eine Erklärung gibst.
    Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
    »Du hast dich immer klar ausgedrückt«, antwortete Alex.
    »Ich war derjenige, der das Brett vor dem Kopf hatte. Ich habe nicht gesehen, was ich direkt vor Augen hatte, weil ich es nicht sehen wollte.«
    »Du redest absoluten Blödsinn.«
    »Für dich, ja. Mir ist klar, daß das für dich Blödsinn sein muß. Vor der letzten Woche hätte ich es auch für Blödsinn gehalten. Quatsch. Unsinn. Mist. Wie immer du es nennen willst.

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