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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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anderen von Dennis. Er möchte sich meine Schrift ansehen und sie mit der Schrift der beiden Briefe vergleichen. Er hält es für möglich, daß ich selbst beteiligt bin. Er traut niemandem. Und für mich heißt das, daß wir ihm trauen können.«

4
    »So um fünf nach fünf«, sagte Damien Chambers, dessen Akzent deutlich verriet, daß er aus Belfast stammte. »Manchmal bleibt sie länger. Sie weiß, daß ich erst um sieben wieder Stunde habe, und bleibt darum manchmal noch ein Weilchen. Wir machen dann zusammen ein Konzert - ich mit der tin whistle und sie mit den Löffeln. Aber heute wollte sie gleich gehen. Um fünf nach fünf war sie weg.« Mit drei langen Fingern schob er die feinen Strähnen seines rotblonden Haars wieder in den langen Pferdeschwanz, der im Nacken gebunden war, während er auf St. James' nächste Frage wartete.
    Sie hatten Charlottes Musiklehrer aus dem Bett geholt, aber er hatte sich nicht darüber beschwert, sondern nur gesagt:
    »Verschwunden? Lottie Bowen ist verschwunden? Mein Gott!« und sich entschuldigt, um einen Moment nach oben zu laufen. Wasser begann laut rauschend in eine Badewanne zu strömen. Eine Tür wurde geöffnet und geschlossen. Eine Minute verstrich. Wieder ging eine Tür. Das Wasser wurde abgestellt. Er kam mit eiligen Schritten wieder zu ihnen hinunter. Er hatte einen langen schottisch karierten Morgenrock an und nichts darunter. Seine Knöchel waren nackt, knochenweiß wie die Haut seines Gesichts und seiner Hände. An den Füßen hatte er abgetragene Lederpantoffeln.
    Damien Chambers wohnte in einem der engen Häuser im Cross Keys Close, einem Wirrwarr schmaler Kopfsteingassen, das im Lichtschein der altmodischen Straßenlaternen etwas Unheimliches bekam, so daß man versucht war, sich immer wieder umzusehen und noch schneller zu gehen. St. James und Helen hatten nicht bis vor Chambers' Haus fahren können - die Straßen waren zu schmal, und selbst wenn der MG hineingepaßt hätte, hätten sie nirgendwo Platz zum Wenden gehabt. Sie hatten den Wagen deshalb am Bulstrode Place stehenlassen, gleich bei der Hauptstraße, und sich zu Fuß einen Weg durch den Irrgarten gesucht, bis sie das Haus Nummer zwölf gefunden hatten, wo Charlottes Musiklehrer wohnte.
    Jetzt saßen sie mit Chambers in seinem Wohnzimmer, das nicht viel größer war als ein Eisenbahnabteil. Ein Spinett teilte sich den begrenzten Raum mit einem elektrischen Keyboard, einem Cello, zwei Geigen, einer Harfe, einer Posaune, einer Mandoline, einem Hackbrett, zwei schiefen Notenständern und einer Menge Staubbälle von der Größe fetter Ratten. St. James und Helen hatten sich auf der Klavierbank niedergelassen, Chambers kauerte auf der Kante eines Metallstuhls. Er schob seine Hände tief in seine Achselhöhlen, wodurch er noch kleiner und schmächtiger wirkte, als er war.
    »Sie wollte die Tuba lernen«, sagte er. »Ihr gefiel die Form. Sie sagte immer, eine Tuba sähe aus wie ein goldenes Elefantenohr. Tubas sind natürlich aus Messing, nicht aus Gold, aber Lottie ist bei so was nicht pingelig.« Er zwinkerte einmal, räusperte sich und schluckte. »Ich hätte es ihr beibringen können, das Tubaspielen - ich kann so ziemlich alles unterrichten -, aber ihre Mutter wollte nichts davon hören. Zuerst sagte sie, Geige. Das haben wir sechs Wochen lang probiert, bis Lottie ihre Eltern mit dem Gequietsche fast in den Wahnsinn getrieben hat. Dann sagte sie, Klavier, aber sie hatte in ihrem Haus keinen Platz für ein Klavier, und Lottie hat sich geweigert, auf dem Klavier in ihrer Schule zu üben. Da haben wir's mit der Flöte versucht. Die ist klein, leicht zu transportieren und auch nicht so laut. Sie spielt seit knapp einem Jahr, aber sehr gut ist sie nicht, weil sie nie übt. Und ihre beste Freundin - ein kleines Mädchen namens Breta - findet Flöte spielen blöd und möchte immer lieber mit ihr spielen. Mit Lottie, meine ich.«
    St. James zog die Liste heraus, die Eve Bowen für ihn zusammengestellt hatte, und überflog sie. »Breta?« sagte er. Der Name war hier nicht aufgeführt. Es waren, wie er jetzt verblüfft feststellte, überhaupt nur die Namen der Erwachsenen genannt, die Charlotte in irgendeiner Form betreuten: Tanzlehrerin, Psychotherapeutin, Chorleiter, Musiklehrer. Er runzelte die Stirn.
    »Ja, ganz recht, Breta. Ihren Nachnamen weiß ich nicht. Ein richtiger kleiner Fratz, wenn man Lottie glauben kann. Sie werden also sicher keine Mühe haben, sie zu finden, wenn Sie mit ihr sprechen wollen. Sie

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