08 - Im Angesicht des Feindes
in den Ständer. Er ging zum Herd und nahm den Topf mit der Soße. Er schüttete sie ins Spülbecken und sah zu, wie sie blubbernd in den Ausguß rann. Eve stand immer noch neben dem Abtropfbrett. Er spürte ihre Nähe, aber er konnte sie nicht ansehen. Ihm war, als hätte seine Seele einen tödlichen Schlag empfangen. Das einzige, was er sagen konnte, war: »Und jetzt hat er Charlie entführt. Luxford, meine ich.«
»Er hat es veranlaßt. Und wenn er publik macht, daß er ihr Vater ist - auf der Titelseite seines Blattes -, dann kehrt sie zurück.«
»Warum rufst du nicht die Polizei an?«
»Weil ich ihn zwingen will, Farbe zu bekennen.«
»Und dazu willst du Charlie benutzen?«
»Charlotte benutzen? Was meinst du damit?«
Dies endlich konnte er fühlen, und das tat ihm gut. »Wohin hat er sie gebracht, Eve? Weiß sie, was vorgeht? Ist sie hungrig? Ist ihr kalt? Ist sie vielleicht außer sich vor Angst? Sie wurde von einem Wildfremden auf der Straße entführt. Interessiert dich eigentlich noch etwas, außer dienen Ruf zu retten, das Spiel zu gewinnen und dieses Schwein, Luxford, dazu zu zwingen, Farbe zu bekennen?«
»Mach doch jetzt bitte kein Referendum über die Mutterschaft daraus«, entgegnete sie ruhig. »Ich habe in meinem Leben einen Fehler begangen. Ich habe für diesen Fehltritt bezahlt. Ich bezahle immer noch dafür. Ich werde bis zum Tod dafür bezahlen.«
»Wir sprechen hier von einem Kind, nicht von einem Fehler. Von einem zehnjährigen Kind!«
»Und ich bin entschlossen, sie zu finden. Aber ich werde es auf meine Art tun. Eher verrotte ich in der Hölle, als daß ich mich ihm beuge. Du brauchst dir doch nur seine Zeitung anzusehen, wenn du immer noch nicht begreifst, was er von mir will, Alex. Und ehe du mich wegen meines Eigennutzes verdammst, solltest du vielleicht mal darüber nachdenken, was so ein saftiger Sexskandal in der Zeitung für Charlotte bedeuten würde.«
Er wußte es natürlich. Einer der schlimmsten Alpträume im Leben eines jeden Politikers war die unerwartete Enthüllung eines unerquicklichen Geheimnisses, das man längst begraben und vergessen geglaubt hatte. Wenn dieses Geheimnis erst einmal abgestaubt und veröffentlicht war, führte das dazu, daß jede Handlung, jedes Wort, jede Absicht des Betroffenen argwöhnisch beäugt wurde. Die Existenz dieses Geheimnisses - selbst wenn es im Leben des Betroffenen nur noch eine periphere Rolle spielte - verlangte danach, daß jedes Motiv untersucht, jeder Kommentar abgeklopft, jeder Schritt verfolgt, jedes Schreiben analysiert, jede Rede auseinandergenommen und alles andere so genau wie möglich unter die Lupe genommen wurde, um den Geruch der Heuchelei zu entdecken. Und dieses Mißtrauen beschränkte sich nicht auf den Bloßgestellten allein. Alle Familienmitglieder hatten darunter zu leiden, die im Namen des gottgegebenen Rechts der Öffentlichkeit auf Information ebenso durch den Schmutz gezogen wurden. Parnell hatte das erfahren. Profumo ebenfalls. Yeo und Ashby hatten beide die gnadenlose Durchleuchtung ihres Privatlebens ertragen müssen. Nicht der höchste Politiker, nicht einmal die Monarchie selbst war vor öffentlicher Bloßstellung und Verhöhnung sicher; daher wußte Eve, daß man auch bei ihr keine Ausnahme machen würde, schon gar nicht ein Mann wie Luxford, der von zweifelhaftem journalistischen Ehrgeiz und einer persönlichen Abscheu gegen die Konservative Partei getrieben wurde.
Alex fühlte sich niedergedrückt von der Last. Sein Körper verlangte nach Handeln. Sein Verstand verlangte nach Begreifen. Sein Herz verlangte nach Flucht. Er war hin-und hergerissen zwischen Abneigung und Mitgefühl und fühlte sich von dem inneren Kampf dieser gegensätzlichen Gefühle aufgerieben. Er rang sich zu Mitgefühl durch, wenn auch vielleicht nur für einen Moment.
Mit einer Kopfbewegung zum Wohnzimmer sagte er: »Und wer waren nun die beiden? Der Mann und die Frau?«
Er sah ihr an, daß sie glaubte, sie habe gesiegt. »Er hat früher einmal bei Scotland Yard gearbeitet«, antwortete sie »Sie ist ... ich weiß nicht. Sie ist seine Mitarbeiterin, glaube ich.«
»Und du bist sicher, daß sie dieser Sache gewachsen sind?«
»Ja.«
»Wieso?«
»Als er mich bat, eine Liste von Charlottes Aktivitäten zu machen, ließ er sie mich zweimal schreiben. Einmal mit meiner Handschrift und das zweitemal in Druckschrift.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Er hat die beiden Entführerbriefe, Alex, den, den ich bekommen habe, und den
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