08 - Im Angesicht des Feindes
Appetit. Du?«
Sie schüttelte den Kopf. Doch sie ließ ihn einen Moment allein, um ins Wohnzimmer zu gehen. Er stand inzwischen wie betäubt am Herd, rührte die Sauce und die Fettuccine und fragte sich, wann ihm je wieder nach Essen zumute sein würde. Sie kehrte mit einer offenen Flasche Wein und zwei Gläsern zurück. Sie schenkte an der Bar ein, die sich neben dem Herd befand, und schob ihm eins der Gläser zu.
Er erkannte, daß sie es nicht sagen würde, wenn er sie nicht dazu zwang. Alles andere würde sie ihm sagen - was Charlie vermutlich zugestoßen war, um welche Tageszeit, wie und wann sie davon erfahren hatte. Aber den Namen würde sie nicht aussprechen, wenn er nicht darauf bestand. Die Identität von Charlottes Vater war das einzige persönliche Geheimnis, das sie ihm in den sieben Jahren, seit sie sich kannten, in den sechs Jahren ihrer Ehe nicht anvertraut hatte. Und Alex war es nicht fair erschienen, sie zu drängen. Charlies Vater, wer immer er war, gehörte Eves Vergangenheit an. Alex hatte nur ihrer Gegenwart und ihrer Zukunft angehören wollen.
»Warum hat er sie entführt?«
Sie antwortete emotionslos, mit einer rein sachlichen Auflistung der Schlußfolgerungen, zu denen sie bereits gelangt war.
»Weil er publik machen möchte, wer ihr Vater ist. Weil er die Tories in noch größere Schwierigkeiten stürzen möchte. Weil der Premierminister Neuwahlen ausschreiben lassen muß und meine Partei sie verlieren wird, wenn über Regierungsmitglieder immer neue Sexskandale bekannt werden, die das Vertrauen der Öffentlichkeit in die gewählten Volksvertreter erschüttern, und genau das möchte er erreichen.«
Alex griff das Wort heraus, das ihn am meisten verstörte und ihm zugleich am meisten darüber sagte, was sie so viele Jahre vor ihm verborgen hatte. »Sexskandale?«
Ihre Lippen verzogen sich zu einem bitteren Lächeln. »Ja, Sexskandale.«
»Wer ist es, Eve?«
»Dennis Luxford.«
Der Name sagte ihm nichts. Jahre der Furcht, Jahre des Kopfzerbrechens, der Spekulationen und Vermutungen, und der Name sagte ihm überhaupt nichts. Ihre Miene sagte ihm, daß sie wußte, daß er mit dem Namen nichts anfangen konnte. Mit einem bitteren kleinen Lachen, das ihr selbst galt, ging sie zu dem kleinen Küchentisch, der in dem Erker mit Blick in den Garten stand. Neben einem der Stühle war ein Zeitschriftenständer. Dort bewahrte Mrs. Maguire das wenig anspruchsvolle Lesematerial auf, mit dem sie sich bei ihrem zweiten Frühstück zu vergnügen pflegte. Eve zog eine Zeitung aus dem Ständer, nahm sie mit zur Bar und legte sie Alex hin.
Im Scharlachrot des Kopfes leuchteten in grellem Gelb die Worte The Source! Darunter folgte eine Schlagzeile von mindestens sechs Zentimetern Höhe: Die geheimen Spielchen des Abgeordneten, mit zwei Farbfotos, von denen das eine Sinclair Larnsey zeigte, den Abgeordneten aus East Norfolk, wie er mit finsterer Miene in Begleitung eines älteren stöckchenschwingenden Mannes, dem man den Wahlausschußvorsitzenden auf den ersten Blick ansah, aus einem Haus trat; das andere einen roten Citroen, der im Untertitel als »Sinclair Larnseys mobiles Liebesnest« bezeichnet wurde. Der Rest der Titelseite war Überschriften wie »Gewinnen Sie einen Traumurlaub (Seite 11)«, »Frühstück mit Ihrem Lieblingsstar (Seite 8)« und »Baldiger Prozeß im Cricket-Mord (Seite 29)« gewidmet.
Stirnrunzelnd blickte er auf die Zeitung hinunter. Sie war knallig und aufdringlich, wie zweifellos beabsichtigt, und er konnte sich vorstellen, daß sie jeden Morgen von Tausenden von Pendlern, die auf dem Weg zur Arbeit etwas Unterhaltsames lesen wollten, gekauft wurde. Aber man brauchte doch nur die schludrige Aufmachung zu sehen, um zu wissen, wie weit der Einfluß dieses Blattes auf die öffentliche Meinung reichte. Wer las schon solchen Schund - abgesehen von Leuten wie Mrs. Maguire, die nicht gerade als eine der bedeutenden intellektuellen Kräfte dieses Landes bezeichnet werden konnte?
Eve kehrte zu dem Zeitungsständer zurück. Sie kramte drei weitere Exemplare des Blattes heraus und legte sie vor ihn auf die Bar. Die neueste Leiche im Abgeordnetenkeller: Schmiergelder für Spitzenbeamte nahm eine ganze Titelseite ein. Ex-Geliebte eines Tory-Abgeordneten packt aus zierte eine andere. Königlicher Federball: Wer hält nachts die Prinzessin warm? sprang einem von einer weiteren Seite entgegen.
»Was soll das?« fragte Alex. »Dein Fall liegt doch ganz anders. Was könnten dir die Zeitungen
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