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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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brauchen. Gleich würde er sich verraten. Aber sie sah nichts.
    Ihre Hand, die das Montiereisen hielt, was klatschnaß. Sie rieb sie an ihrer Hose trocken. Sie musterte das nächste Geländestück und wagte einen zweiten Sprint zu einem zweiten Steinhaufen.
    Hier sah sie, daß eine Mauer, die niedriger war als die Burgmauer, sich rund um die Kapelle zog. Ein kleines überdachtes Torhäuschen, dessen Form die der Kapelle spiegelte, schützte das dunkle Rechteck einer Holztür. Sie war geschlossen. Noch einmal fünfzehn Meter trennten Barbara vom Torhäuschen der Kapelle, und auf dieser Strecke bot einzig eine Bank, von der aus Touristen die Überreste der mittelalterlichen Wehrmauer bewundern konnten, Deckung. Barbara rannte zu der Bank. Und von der Bank aus rannte sie zur äußeren Einfriedungsmauer der Kapelle.
    Das Montiereisen fest in der Hand, schob sie sich an dieser Mauer entlang. Sie wagte kaum zu atmen. An die Steine gedrückt, erreichte sie das Torhäuschen. Dort blieb sie stehen, den Rücken an der Wand, und lauschte wieder. Zuerst hörte sie nur den Wind. Dann das leise Brummen eines Düsenflugzeugs hoch am Himmel. Und dann ein anderes Geräusch. Viel näher. Das Klirren von Metall auf Stein. Barbara zitterte.
    Vorsichtig schob sie sich weiter bis zum Tor. Sie drückte mit der Hand gegen die Holztür. Sie gab nach, erst nur ein paar Zentimeter, dann öffnete sie sich weiter. Barbara spähte durch den Spalt.
    Die Tür zur Kapelle, die sich direkt vor ihr befand, war geschlossen. Und die Spitzbogenfenster über ihr waren so schwarz und blind wie zuvor. Doch an der Seite der Kapelle führte ein Pfad um das Gebäude herum, und als Barbara sich durch das Tor schob, sah sie aus dieser Richtung einen ersten schwachen Lichtschimmer. Und wieder vernahm sie dieses Geräusch. Metall auf Stein.
    Eine ungepflegte Rabatte wucherte üppig am Fuß der Mauer rund um die Kapelle und breitete ihre Ranken, Zweige, Blätter und Blüten über den Steinpfad. Hier und dort war die Rabatte niedergetreten, und Barbara, die das bemerkte, war sicher, daß es nicht das Werk eines Touristen war, der sich, die Stoßdämpfer seines Wagens riskierend, am ersten Samstag des Monats zu diesem abgeschiedenen Ort aufgemacht hatte.
    Sie glitt über den Pfad zur Kapelle. Sie tastete sich am rauhen Gestein ihrer Mauer entlang, bis sie die Ecke erreichte. Dort blieb sie stehen und lauschte wieder. Zuerst hörte sie wieder nur den Wind, ein Seufzen, das durch die Bäume am nahegelegenen Hügelhang strich. Dann wieder das Geräusch von Metall auf Stein, klarer jetzt. Und dann die Stimme.
    »Du trinkst, wenn ich es dir sage.« Das war Robin, aber nicht der Robin, den sie kennengelernt hatte. Das war nicht der unsichere, unerfahrene Polizeibeamte, der mit ihr gesprochen hatte. Das war die Stimme eines brutalen Mörders. »Hast du das kapiert?«
    Danach die Stimme des Kindes, dünn und verängstigt:
    »Aber es schmeckt so komisch. Es schmeckt -«
    »Es ist mir scheißegal, wie es schmeckt. Du trinkst das jetzt gefälligst aus, wie ich dir gesagt hab'. Du kannst froh sein, daß du überhaupt was kriegst. Und wenn du nicht folgst, schütt' ich's dir rein. Hast du verstanden? Hat's dir gefallen, wie ich's dir das letztemal reingekippt hab'?«
    Das Kind sagte nichts. Barbara schlich näher. Sie riskierte einen Blick um die Ecke und sah, daß der Weg in eine steinerne Treppe mündete. Die Stufen führten durch einen Torbogen nach unten, wahrscheinlich in ein unterirdisches Gewölbe. Licht lag auf den Treppenstufen. Zuviel Licht für eine Taschenlampe. Er mußte auch seine Laterne mitgenommen haben. Er hatte sie dabeigehabt, als sie zur Windmühle gefahren waren. Das mußte der Gegenstand gewesen sein, den er aus dem Kofferraum seines Wagens geholt hatte.
    Sie krümmte ihre Finger um das Montiereisen. Langsam, ganz langsam schob sie sich an der Mauer der Kapelle entlang.
    »Trink jetzt, verdammt noch mal«, sagte Payne.
    »Ich möchte nach Hause.«
    »Was du möchtest ist mir scheißegal. Los, nimm das jetzt -«
    »Aua! Mein Arm!« schrie der Junge.
    Geräusche eines Handgemenges folgten. Ein Schlag fiel. Robin grunzte. Dann schrie er wütend: »Du Scheißkerl, du kleiner! Wenn ich dir sage, du sollst trinken ...« Und dann ein Klatschen von Fleisch auf Fleisch.
    Leo schrie. Ein weiterer Schlag folgte. Robin wollte ihn umbringen. Entweder würde er ihn zwingen, die Suppe mit dem Valium zu trinken, die paar Minuten warten, bis er das Bewußtsein verloren

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