08 - Im Angesicht des Feindes
reagiert hatte, einer seiner Beamten stecke hinter den beiden Kindesentführungen und dem Mord. »So ein ausgemachter Quatsch«, hatte er gesagt. »Wer sind Sie überhaupt? Wer hat Sie hergeschickt?« Und als er hörte, daß sie mit Barbara Havers zusammenarbeiteten, die ihm offenbar ein arger Dorn im Auge war, hatte er seinen Worten noch ein spöttisches Lachen hinterhergeschickt. Hilfsbereitschaft schien selbst in seinen besten Momenten nicht zu seinen hervorragenden persönlichen Eigenschaften zu gehören. Und in diesem, dem ungünstigsten aller möglichen Momente, war sie ihm ganz abhanden gekommen.
Nachdem sie die Bestätigung ihrer Vermutung erhalten hatten - eine Sache von Minuten, der Experte setzte nur seine Brille auf, schaltete eine starke Lampe ein, griff zu einem Vergrößerungsglas, mit dem er die Abdrücke auf den Karten inspizierte und sagte: »Doppelschlingen. Ein Kinderspiel. Die sind identisch. Haben Sie mich wirklich deswegen von meinem Pokerspiel weggeholt?« -, war das Überwachungsteam schnell zusammengestellt. Natürlich gab es Getuschel und Murren unter den Beamten, als sich herausstellte, wen sie überwachen sollten, aber es wurde dennoch schleunigst ein Wagen losgeschickt, Funkkontakt hergestellt und jedem Mann sein Posten zugeteilt. Erst als die erste Meldung einging, die besagte, daß der Wagen des Verdächtigen nicht da sei und ebensowenig das Fahrzeug von Sergeant Havers, waren Lynley und Nkata selbst zu Lark'sHaven hinausgefahren.
»Sie muß ihm irgendwohin gefolgt sein«, sagte Lynley zu Nkata, als sie durch die Nacht nordwärts nach Wootton Cross brausten. »Er war im Zimmer, als ich mit ihr telefoniert habe. Wahrscheinlich hat er ihr angesehen, was los ist. Havers ist ja weiß Gott keine Schauspielerin. Und jetzt ist er zu dem Jungen gefahren.«
»Vielleicht ist er auch zu seiner Freundin gefahren«, meinte Nkata.
»Das glaube ich nicht.«
Lynleys böse Ahnungen verdichteten sich, als sie das Haus am Ortsrand von Wootton Cross erreichten. Es war völlig dunkel - was vermuten ließ, daß alle im Haus zu Bett gegangen waren -, doch die Hintertür war nicht nur nicht abgesperrt, sie war offen. Und ein tiefer Reifenabdruck im Blumenbeet an der Einfahrt legte nahe, daß jemand in großer Eile weggefahren war.
Lynleys Funkgerät wurde lebendig, als er und Nkata auf die offene Tür zusteuerten. »Brauchen Sie Verstärkung, Inspector?« fragte jemand aus dem Lieferwagen, der ein Stück straßabwärts stand.
»Bleiben Sie auf Ihrem Posten«, antwortete Lynley dem Beamten. »Das sieht mir hier nicht koscher aus. Wir schauen uns drinnen mal um.«
Die Hintertür führte in eine Küche. Lynley schaltete das Licht ein. Alles schien in Ordnung zu sein, und so war es auch im anschließenden Eßzimmer und dem dahinterliegenden Wohnzimmer.
Oben entdeckten sie das Zimmer, in dem Barbara Havers hauste. Ihr altes Sweatshirt mit dem heiligen Georg und seinem Drachen hing schlaff vom Haken an der Tür herab. Ihr Bett war zerdrückt - aber nur der Überwurf und die Decke darunter. Die Leintücher waren glatt und unberührt. Entweder hatte sie ein Nickerchen gemacht, was höchst unwahrscheinlich war, oder sie hatte Schlaf vorgetäuscht, was seinen Instruktionen an sie, sie solle weitermachen wie bisher, eher entsprach. Ihre unförmige Umhängetasche lag auf der Kommode, aber ihre Wagenschlüssel fehlten. Sie muß gehört haben, wie Payne das Haus verließ, dachte Lynley. Sie muß ihre Schlüssel gepackt haben und ihm gefolgt sein.
Bei dem Gedanken, daß Barbara Havers ganz allein einem Mörder auf der Spur war, lief Lynley zum Fenster ihres Zimmers. Er zog die Vorhänge zurück und spähte in die Nacht hinaus, als könnten Mond und Sterne ihm sagen, welche Richtung sie und Robin Payne genommen hatten. Zur Hölle mit dieser dickschädeligen Person, dachte er. Was in drei Teufels Namen hat sie sich dabei gedacht, diesem Kerl ganz allein nachzusetzen? Wenn sie dabei umkam - »Inspector?«
Lynley drehte sich um. Nkata stand an der Tür. »Was ist?«
»In einem von den anderen Zimmern ist eine Frau. Total weggetreten. Scheint ein Schlafmittel intus zu haben.«
So kam es, daß sie Corrine Payne jetzt literweise Kaffee einflößten, während diese lallend entweder nach ihrem »Bübel« oder nach »Sam« verlangte.
»Wer ist dieser Sam überhaupt?« wollte Nkata wissen.
Lynley war das gleichgültig. Er wollte die Frau nur zur Besinnung bringen. Und als Nkata die nächste Kanne Kaffee in das Eßzimmer
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