08 - Im Angesicht des Feindes
und als er sein Gewicht verlagerte, riß sie ihr Knie in die Höhe und versuchte, es ihm zwischen die Beine zu stoßen. Sie verfehlte ihr Ziel, und er nutzte seinen Vorteil. Er schleuderte sie wieder gegen die Mauer. Er packte sie am Hals. Er riß sie zu Boden.
Über ihr stehend, blickte er nach links und rechts. Er suchte eine Waffe. Sie sah die Waffe im selben Moment wie er: die Laterne.
Sie packte ihn bei den Beinen, als er wegspringen wollte, um sich die Laterne zu schnappen. Er trat ihr ins Gesicht, aber sie riß ihn zu Boden. Als er stürzte, kroch sie über ihn, aber sie wußte, daß sie fast am Ende ihrer Kräfte war. Sie drückte ihm den Hals zu, sie umklammerte seine Beine mit den ihren. Wenn sie ihn nur einen Moment so halten könnte, wenn der Junge nur weglaufen würde, wenn er nur so vernünftig wäre, sich in die Büsche zu schlagen ...
»Leo!« schrie sie. »Lauf weg! Versteck dich!«
Sie glaubte, ihn am Rand ihres Blickfelds zu sehen, aber irgend etwas stimmte nicht mit ihm. Das Haar war nicht hell genug. Das Gesicht war grau wie das eines Gespensts.
Er hatte Todesangst. Er war ja nur ein kleiner Junge. Er begriff nicht, was geschah. Aber wenn sie ihm nicht begreiflich machen konnte, daß er weglaufen mußte, jetzt, sofort ...
»Lauf!« schrie sie wieder. »Lauf, Leo!«
Sie spürte, wie Robins Körper sich spannte, Beine, Arme und Brust. Mit einer gewaltigen Kraftanstrengung schleuderte er sie erneut von sich. Aber diesmal kam sie nicht wieder auf die Beine. Er lag über ihr, wie sie selbst eben noch über ihm gelegen hatte - den Arm über ihrem Hals, seine Beine wie eiserne Klammern um die ihren. Sie spürte seinen heißen Atem in ihrem Gesicht.
»Er wird ...« Krampfhaft schnappte er nach Luft. »Zahlen. Er wird zahlen.«
Er verstärkte den Druck. Er preßte alle Luft aus ihr heraus. Barbara hatte das Gefühl, in weiß wallenden Nebeln zu versinken. Und das letzte, was sie sah, war Robin Paynes Lächeln. Es war das Lächeln eines Mannes, der endlich Gerechtigkeit gefunden hatte.
30
Lynley sah zu, wie Corrine Payne die Tasse zum Mund führte. Ihre Augen waren glasig und ihre Bewegungen schwerfällig.
»Mehr Kaffee«, sagte er grimmig zu Nkata. »Aber schwarz diesmal. Und stärker. Doppelt so stark wie eben. Dreimal so stark, wenn das geht.«
Nkata erwiderte: »Eine kalte Dusche hätte wahrscheinlich die gleiche Wirkung.« Wie um einem Einwand zu begegnen, den Lynley gar nicht äußerte - daß sie keine Beamtin bei sich hätten und die Frau ja nicht gut eigenhändig auskleiden könnten -, fügte er hinzu: »Wir brauchen ihr ja die Kleider gar nicht auszuziehen. Wir könnten sie einfach kräftig abduschen, wie sie ist.«
»Kümmern Sie sich um den Kaffee, Winston.«
Corrine murmelte: »Bübel?«, und ihr Kopf fiel nach vorn.
Lynley schüttelte sie an der Schulter. Er zog den Stuhl zurück und hievte sie hoch. Er ging einmal mit ihr durch das ganze Eßzimmer, aber ihre Beine waren etwa so stabil wie gekochte Spaghetti. Und sie selbst war ihnen in diesem Zustand so nützlich wie ein Küchengerät. »Verdammt noch mal«, fluchte Lynley unterdrückt. »Komm endlich zu dir, Weib. Los jetzt!«, und als sie plötzlich taumelnd gegen ihn fiel, merkte er, daß er sie am liebsten bis zur Besinnungslosigkeit gerüttelt und geschüttelt hätte. Was ihm zeigte, wie übermächtig seine Ängste in der halben Stunde, die seit ihrer Ankunft in Lark's Haven verstrichen war, geworden waren.
Eigentlich hätte alles problemlos klappen müssen. Abfahrt vom Yard, dann die Fahrt nach Wiltshire, der Vergleich von Robin Paynes Fingerabdrücken mit jenen, die sie auf dem Kassettenrecorder und in dem Haus in der George Street gesichert hatten. Und danach die Anordnung, Lark 's Haven zu beobachten, damit sie Payne, wenn er am Morgen zu dem Versteck fuhr, in dem er den kleinen Luxford gefangenhielt - was er ganz gewiß tun würde, sobald er sah, daß die Source die von ihm gewünschte Story nicht gebracht hatte -, verfolgen und festnehmen und das Kind zurückbringen konnten.
Aber die Dienststelle Amesford hatte den ganzen schönen Plan gründlich durcheinandergebracht. Die Leute dort konnten nicht um viel Geld einen Fingerabdruckexperten auftreiben, und als es ihnen schließlich doch gelungen war, einen zu finden, hatte der Mann mehr als eine Stunde gebraucht, um in der Dienststelle zu erscheinen. In dieser Zeit war Lynley in ein Wortgefecht mit Sergeant Stanley geraten, der mit. Entrüstung auf die Vorstellung
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