08 - Im Angesicht des Feindes
schwatzen oder ihren Gesprächen mit Lynley zuzuhören brauchen, um zu erfahren, wie weit die Nachforschungen gediehen waren. Und als sie ihm von dem Maibaum und den Ziegelsteinen, die Charlotte auf der Bandaufnahme erwähnt hatte, erzählt hatte, hatte sie ihm direkt in die Hände gespielt: Sie hatte ihm den »Hinweis« geliefert, den er brauchte, um derjenige zu sein, der die Windmühle entdeckte. Wo er zweifellos Charlottes Uniform mal kurz an den rauhen Kisten vorbeigezogen hatte, ehe er sie zusammengefaltet und bei einem Besuch bei den Mathesons in einem der Ramschsäcke von Mrs. Matheson deponiert hatte. Ganz klar, daß die Mathesons sich nichts dabei gedacht hatten, als Robin Payne bei ihnen aufgekreuzt war. Er war schließlich der zukünftige Ehemann ihrer Tochter, den diese liebte. Daß er außerdem ein Mörder war, war ihnen nicht aufgefallen.
Barbara konzentrierte ihre Aufmerksamkeit wieder auf Robins Escort. Eben bog er erneut ab, diesmal nach Süden. Der Wagen begann eine Steigung hochzukriechen. Barbara hatte das starke Gefühl, daß sie sich ihrem Ziel näherten.
Sie folgte ihm um die Kurve und nahm Gas weg. Hier draußen war nur offenes Land - der letzte Bauernhof lag mindestens fünf Kilometer zurück -, sie brauchte also nicht zu fürchten, ihn zu verlieren. Sie konnte in der Ferne die schwankenden Strahlen seiner Scheinwerfer sehen. Mit gleichbleibendem Abstand kroch sie hinter ihm her.
Die Straße verengte sich, wurde zu einem tief durchfurchten Feldweg. Linker Hand erhob sich ein mit Bäumen dicht bedeckter Hügel. Rechts neigte sich ein großes Feld, das vom Weg durch einen Drahtzaun abgegrenzt war, in die Dunkelheit. Der Feldweg begann sich um die Flanke des Hügels zu krümmen, und Barbara fuhr noch einmal langsamer. Einen Augenblick später sah sie, wie einige hundert Meter vor ihr Paynes Wagen vor einem Gatter haltmachte, das den Feldweg versperrte. Payne stieg aus und stieß das Gatter auf. Er fuhr durch, stieg wieder aus, schloß das Gatter hinter sich und fuhr weiter. Das Mondlicht beleuchtete sein Ziel. Ungefähr noch einmal hundert Meter von dem Tor entfernt hoben sich die Ruinen einer alten Burg. Sie konnte die verfallene Mauer erkennen, die sie umgab, und dahinter die vom Mondlicht übergossenen runden Formen von Büschen und Bäumen. In der Mitte dieses von der Mauer umgrenzten Gebietes standen die Reste der Burg selbst. Sie konnte zwei runde, gezinnte Türme an den beiden Enden einer eingestürzten Mauer erkennen und vielleicht zwanzig Meter von einem der Türme entfernt das Dach eines Gebäudes, vielleicht eines Küchen- oder Backhauses, einer Kemenate oder eines Palastes.
Barbara fuhr bis dicht vor das geschlossene Gatter und parkte ihren Mini ganz am Rand des Feldwegs. Sie schaltete den Motor ab und stieg aus. Sie hielt sich ganz links vom Weg, dicht am Hang des Hügels, der von Bäumen und Buschwerk überwachsen war. Ein Schild am Gatter identifizierte das Gebäude, als das Silbury Huish Castle. Auf einem zweiten, kleineren Schild stand, daß es nur jeden ersten Samstag im Monat zur Besichtigung geöffnet war. Robin hatte sein Versteck gut gewählt. Die Zufahrt war unwegsam genug, um Touristen eher abzuschrecken, und selbst wenn die Abenteuerlust sie bis zum Gatter treiben sollte, würden sie es kaum riskieren, das Gelände trotz Verbots zu betreten, nur um sich eine verfallene Ruine anzusehen. Es gab in der Umgebung genug andere historische alte Gemäuer, die weit bequemer zu erreichen waren.
Robins Escort hielt vor der äußeren Burgmauer. Die Lichter der Scheinwerfer bildeten helle Kreise auf dem alten Stein.
Dann erloschen sie. Während Barbara sich zu dem Gatter schlich, beobachtete sie, wie Robin aus seinem Wagen stieg. Er ging zum Kofferraum und suchte darin herum. Einen Moment später nahm er einen Gegenstand heraus, der leise klirrte, als er ihn auf den Steinboden stellte. Einen zweiten Gegenstand behielt er in der Hand. Ein Lichtkegel flammte auf. Eine Taschenlampe. Mit ihrer Hilfe suchte er sich seinen Weg an der Burgmauer entlang. Im nächsten Moment war er verschwunden.
Barbara eilte zum Kofferraum ihres eigenen Wagens. Eine Taschenlampe zu benützen konnte sie nicht riskieren. Ein Blick über die Schulter und Robin Payne würde sie sehen, und dann wäre es vorbei. Aber auf keinen Fall würde sie ihm in diese alte Gemäuer folgen, ohne sich irgendwie zu bewaffnen. Sie warf den ganzen Krempel, der sich im Kofferraum ihres Minis angesammelt hatte, heraus,
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