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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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werden würden.
    Stirnrunzelnd blickte Helen zu dem Schlüsselbund in ihrer Hand hinunter. Wenn sie sich darauf hätte verlassen können, daß man einzig und allein Tommy mit dem Fall betraute ... aber das konnte sie nicht.
    Sie rief seinen Namen, als sie die Tür aufstieß. Er antwortete: »Hier, Helen«, und sie folgte dem Klang seiner Stimme in die Küche, wo er mit aufgekrempelten Ärmeln, offenem Kragen und ohne Krawatte vor dem Toaster stand. Auf der Arbeitsplatte stand ein Glas Hefeextrakt bereit. In der Hand hielt er irgendwelche Papiere, in denen er las, und als sie ihre Schuhe fallen ließ, hob er den Kopf mit dem nicht mehr ganz ordentlich frisierten blonden Haar, das im Licht der Küchenlampe glänzte, und sah sie über den Rand seiner Brille hinweg an.
    »Du kommst aber spät«, bemerkte er und legte Papiere und Brille auf die Arbeitsplatte. »Ich hatte schon fast aufgegeben.«
    »Das ist doch nicht dein Abendessen?« Sie warf ihre Umhängetasche auf den Tisch, sah die Post des Tages durch, zog einen Brief von ihrer Schwester Iris heraus und nahm ihn mit zu Tommy. Er schob seine Finger unter ihr Haar, wie er das gern tat - sie spürte seine warme Hand an ihrem Nacken -, und küßte sie. Erst auf den Mund, dann auf die Stirn, dann noch einmal auf den Mund. Er hielt sie an sich gedrückt, während er auf seinen Toast wartete. Sie öffnete knisternd ihren Brief. »Also, Tommy?« sagte sie. Als er nicht gleich antwortete, fügte sie hinzu: »Ich möchte gern wissen, ob das dein ganzes Abendessen sein soll. Du machst mich wirklich völlig fertig. Warum ißt du nicht richtig?«
    Er drückte seinen Mund an ihren Kopf. »Ich vergesse es einfach.« Seine Stimme klang müde. »Ich war fast den ganzen Tag bis in den Abend hinein bei der Staatsanwaltschaft. Wegen des Fleming-Falls. Zeugenvernehmungen, Anträge der Anwälte, endlose Berichte, Pressekonferenzen - ich hab's einfach vergessen.«
    »Du hast vergessen zu essen? Das verstehe ich nicht. Merkst du's denn nicht, wenn du Hunger hast?«
    »Manchmal vergißt man's eben, Helen.«
    »Hmpf. Ich nicht.«
    »Das weiß ich nur zu gut.«
    Sein Toast war fertig. Er spießte ihn mit der Gabel auf und bestrich ihn mit dem Hefeextrakt. An die Arbeitsplatte gelehnt, kaute er einen Moment und sagte dann erstaunt: »Du lieber Gott, das schmeckt ja scheußlich. Ich kann nicht glauben, daß ich in Oxford praktisch von dem Zeug gelebt habe.«
    »Mit zwanzig hat man andere Geschmacksknospen. Wenn du jetzt noch einen billigen Weißwein hättest, würdest du dich in deine Jugend zurückversetzt fühlen.« Sie entfaltete den Brief.
    »Was gibt's?« fragte er.
    Sie las ein paar Zeilen und berichtete. »Die Zahl der Kälber, die bisher in diesem Jahr auf der Ranch geboren wurden. Große Freude, wieder einen Winter in Montana überlebt zu haben. Jonathans Noten sind nicht das, was sie sein sollten, ob ich glaube, ein Internat in England wäre das richtige. - Ganz bestimmt nicht! - Mamas Besuch war nur deshalb ein so großer Erfolg, weil Daphne auch da war und sie davon abgehalten hat, einander an die Kehle zu gehen. Wann ich mal zu Besuch komme? Du bist ebenfalls herzlich willkommen, jetzt, wo alles - wie sie es formuliert - offiziell ist. Und wann die Hochzeit ist, weil sie unbedingt noch drei Monate hungern muß, damit sie sich in der Öffentlichkeit sehen lassen kann.« Helen faltete den Brief und stopfte ihn wieder in den Umschlag. Die ausufernden Rhapsodien ihrer Schwester über ihre Verlobung mit Thomas Lynley, dem achten Earl of Asherton, das dick unterstrichene endlich endlich endlich samt zahlloser Ausrufungszeichen und die respektlosen Spekulationen darüber, wie ihr zukünftiges Leben mit einem, wie Iris es ausdrückte, Lynley an der Leine aussehen würde, unterschlug sie. »Das ist alles.«
    »Ich meinte eigentlich heute abend«, sagte Tommy mit vollem Mund. »Was gibt's?«
    »Heute abend?« Helen versuchte, Unbekümmertheit zu heucheln, schaffte aber nur einen Ton, der sich in ihren eigenen Ohren wie eine Mischung aus Dümmlichkeit und schlechtem Gewissen anhörte. Tommys Gesicht veränderte sich ein klein wenig. Sie versuchte sich einzureden, er sähe mehr perplex als argwöhnisch aus.
    »Du hast doch reichlich lange gearbeitet«, meinte er. Seine braunen Augen waren wachsam.
    Um dem forschenden Blick zu entgehen, holte Helen den Wasserkocher, füllte ihn mit Wasser und schloß ihn an die Steckdose an. Dann nahm sie die Teedose aus dem Schrank und gab einige Löffel Tee

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