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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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war. Insgesamt wirkte die Schrift in beiden Briefen wie ein Zwischending zwischen Schreibschrift und Blockschrift. Sogar für das ungeübte Auge war leicht zu erkennen, daß beide Briefe von einer Person geschrieben worden waren.
    Er zog sich Eve Bowens Liste heran und suchte nach den verräterischen Ähnlichkeiten, die selbst jemand, der seine Schrift verstellte, meist nicht verschleiern konnte. Das Schreiben ist eine so automatische Tätigkeit, daß einem bei dem Versuch, die eigene Schrift zu verstellen, zwangsläufig kleine Fehler unterlaufen, wenn man nicht jeden einzelnen Strich oder Schwung ganz bewußt zieht. Nach eben einem solchen Leichtsinnsfehler suchte er: nach der charakteristischen Schleife eines »e«; dem typischen Anstrich eines »a« oder »o«, dem Schwung eines »r« und dem Ansatz dieses Schwungs, nach einer Übereinstimmung bei den Wortabständen, einer Übereinstimmung in der Art, wie Feder oder Stift am Ende des Wortes abgesetzt wurden.
    Jeden einzelnen Buchstaben studierte er mit dem Vergrößerungsglas. Jedes einzelne Wort betrachtete er aufmerksam. Er maß den Abstand zwischen den Wörtern und die Höhe und Breite der Buchstaben. Das Ergebnis war eindeutig: Die Briefe waren von ein und derselben Person geschrieben worden, aber nicht von Eve Bowen.
    St. James ließ sich auf seinen Hocker sinken und überlegte, in welche logische Richtung diese Art der Schriftprobenanalyse ihn unweigerlich führen würde. Wenn Eve Bowen die Wahrheit gesagt hatte und Dennis Luxford tatsächlich der einzige war, der die Identität von Charlottes leiblichem Vater kannte, dann wäre der nächste vernünftige Schritt, sich eine Schriftprobe Luxfords zu beschaffen. Doch auf diesem Weg durch das Labyrinth der Graphologie weiterzumachen, schien ihm reine Zeitverschwendung zu sein. Wenn Dennis Luxford in der Tat Charlottes Verschwinden inszeniert hatte, wäre er, ein erfahrener Journalist, der durch seinen Beruf mit den Arbeitsmethoden der Polizei bestens vertraut war, kaum so dumm gewesen, die Entführerbriefe mit der Hand zu schreiben.
    Genau das war es, was St. James so ungewöhnlich und irritierend fand: daß die Briefe mit der Hand geschrieben waren. Sie waren nicht getippt, sie waren nicht aus Buchstaben, die aus Zeitschriften oder Zeitungen herausgeschnitten waren, zusammengesetzt worden. Daraus ergeben sich zwei Möglichkeiten: Der Entführer glaubte nicht daran, daß er gefaßt werden würde, oder er war überzeugt, daß er nicht bestraft werden würde, wenn die ganze Wahrheit über die Entführung ans Licht kommen sollte.
    Wie auch immer, die Person, die Charlotte Bowen entführt hatte, war jemand, der mit dem Tagesablauf des Kindes entweder bestens vertraut war oder ihn vor der Entführung gründlich studiert hatte. War das erstere der Fall, so mußte ein Familienmitglied die Hand im Spiel haben, wie indirekt auch immer. Traf das zweite zu, so konnte man mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß der Entführer sein Opfer zunächst beobachtet hatte. Und ein Beobachter erregt früher oder später Aufmerksamkeit. Am ehesten wäre der Betrachter in diesem Fall wohl Charlotte selbst aufgefallen. Oder ihrer Freundin Breta. Und auf der Suche nach Breta fuhr St. James jetzt in nördlicher Richtung zur Devonshire Place Mews, nachdem er seine Frau und Helen in der Marylebone Street abgesetzt hatte.
    Hinter der geschlossenen Tür von Eve Bowens Haus erscholl A-cappella-Gesang. Als St. James läutete, hörte er den monotonen Singsang männlicher Stimmen, wie man ihn in einem Kloster oder einer Kirche erwartet. Auf das Bimmeln der Türglocke brach der Gesang unvermittelt ab. Einen Augenblick später wurde der Riegel zurückgeschoben und die Tür geöffnet.
    Er hatte erwartet, Eve Bowen oder ihren Mann zu sehen. Doch vor ihm stand eine rotgesichtige Frau mit der Körperform einer Birne. Sie trug einen voluminösen orangefarbenen Pullover über knallroten, an den Knie ausgebeulten Leggings.
    »Wir brauchen keine Zeitschriften, keine Zeugen Jehovas und keine Vorträge von den Mormonen, besten Dank«, sagte sie kurz in so breiter irischer Mundart, als wäre sie erst vor ein paar Tagen aus einem irischen Dorf eingetroffen.
    Das, entschied St. James, der an die Beschreibung der Abgeordneten dachte, konnte nur Mrs. Maguire, die Haushälterin sein. Ehe sie die Tür schließen konnte, stellte er sich vor und fragte nach Eve Bowen.
    Mrs. Maguires Ton schwang augenblicklich von verächtlicher Abwehr zu gespannter Neugier um. »Sie

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