Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
glatten Material, das vom Boden aufragte. Als sie mit den Knöcheln versuchsweise dagegenklopfte, bewegte es sich mit einem hohlen Echogeräusch, das sie erkannte, das sie an Salzwasser und Sand erinnerte, an glückliche Spiele am Strand.
    »Ein Plastikeimer«, sagte sie, stolz auf sich. Breta hätte es auch nicht besser machen können.
    Sie wackelte an dem Eimer und hörte von innen ein Schwappen. Sie neigte den Kopf, um zu schnuppern. Kein Geruch. Sie tauchte einen Finger in die Flüssigkeit und führte ihn an ihre Zunge. »Wasser«, sagte sie. »Ein Eimer Wasser.«
    Sie wußte sofort, was Breta jetzt tun würde. Sie würde sagen, tut mir leid, aber ich muß pinkeln, Lottie, und sie würde den Eimer benutzen.
    Und das tat Lottie. Sie kippte das Wasser auf den Boden, zog ihre Unterhose herunter und stellte sich über den Eimer. In einem heißen Schwall schoß der Urin aus ihr heraus. Sie hockte sich auf den Eimer und legte ihren Kopf auf ihre Knie. Das angeschlagene Knie brannte. Sie leckte über die Stelle und schmeckte Blut. Plötzlich war sie todmüde. Sie fühlte sich sehr allein. Alle Gedanken an Breta verflogen wie zerplatzte Seifenblasen.
    »Ich will meine Mama«, flüsterte Lottie.
    Und wußte auch diesmal genau, was Breta darauf sagen würde: Hast du schon mal dran gedacht, daß deine Mama dich vielleicht nicht will?

5
    In der Marylebone High Street vor einem Obstgeschäft, wo eine ältere Dame mit einem ungeduldigen Foxterrier an der Leine die Erdbeerkörbchen begutachtete, trennte sich St. James von Helen und Deborah. Die beiden wollten, ausgerüstet mit einer Fotografie Charlotte Bowens, die Gegend rund um die St.-Bernadette-Klosterschule in der Blandford Street, Damien Chambers' Häuschen im Cross Keys Close und die Devonshire Place Mews oben an der High Street durchstreifen. Mit doppelter Absicht: Sie wollten versuchen, jemanden zu finden, der Charlotte am vergangenen Nachmittag gesehen hatte, und sie wollten jeden möglichen Weg erforschen, den das Kind von der Schule zu Chambers' Haus und von dort zum Haus ihrer Mutter eingeschlagen haben konnte. Ihr Auftrag war Charlotte. St. James' Auftrag war Charlottes Freundin Breta.
    Lange nachdem er Helen vor ihrer Wohnung abgesetzt hatte, lange nachdem Deborah zu Bett gegangen war, war St. James ruhelos durch das Haus gestreift. Im Arbeitszimmer begann er die Wanderung, zog Bücher aus den Regalen, wie sie ihm gerade in die Hände fielen, und trank zwei Brandys, während er sich vorzumachen versuchte, er läse. Von dort aus ging er in die Küche, wo er sich eine Tasse Ovomaltine machte - die er nicht trank - und zehn Minuten damit totschlug, indem er zu Peachs Vergnügen einen Tennisball von der Küche zur Hintertür warf. Er stieg die Treppe zum Schlafzimmer hinauf und betrachtete seine schlafende Frau. Zuletzt ging er ins Labor hinauf. Deborahs Fotografien lagen noch auf dem Arbeitstisch, auf dem sie sie am Abend ausgebreitet hatte, und im Licht der Deckenlampe betrachtete er das Bild des kleinen westindischen Mädchens mit der britischen Fahne in den Händen. Sie konnte nicht viel älter als zehn sein, dachte er. Charlotte Bowens Alter.
    Er trug die Aufnahmen in Deborahs Dunkelkammer und holte die Plastikhüllen mit den Briefen, die Eve Bowen und Dennis Luxford erhalten hatten, heraus. Neben die Briefe legte er die in Druckbuchstaben geschriebene Liste von Eve Bowen. Er schaltete drei starke Lampen ein und griff zu einem Vergrößerungsglas, um die beiden Schreiben und die Liste genauer zu studieren.
    Er konzentrierte sich zunächst auf das Wort »Sie«, das in beiden Schreiben vorkam, dann auf einige andere Buchstaben, das »f«, das Doppel-»t«, das alleinstehende »w« in »wird« und »wollen« und den für Analyse und Entschlüsselung zuverlässigsten Buchstaben.
    Das »Sie« in beiden Briefen zeigte hohe Übereinstimmung, im unteren Schwung des »S« eine Schleife, die zum »i« durchgezogen war, während das »e« allein stand. Der Querstrich des »F« in Luxfords Brief entsprach genau dem des »f« in Bowens: In beiden Fällen floß der Querstrich ohne Absetzen in den dem »f« folgenden Buchstaben über. Genauso war es bei dem Querstrich des Doppel-»t« in Charlotte und Lottie. Das kleine »w« in den beiden Briefen stand allein, unten rund, ohne Verbindung zum folgenden Buchstaben. Der Abschwung des »e« andererseits war stets mit dem nachfolgenden Buchstaben verbunden, während der Anstrich durchwegs vom vorhergehenden Buchstaben getrennt

Weitere Kostenlose Bücher