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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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ist es am besten, ich mach' dabei meine Arbeit. Wenn ich so tu', als wär' alles normal, glaub' ich's vielleicht mit der Zeit.« Sie führte ihn durch das Speisezimmer in eine High-Tech-Küche. Auf einer der Arbeitsplatten standen ein offener Besteckkasten aus Mahagoni und eine Dose Politur, daneben lagen einige schwarzfleckige Poliertücher.
    »Ein ganz normaler Donnerstag«, sagte Mrs. Maguire. »Mir ist schleierhaft, wie Mrs. Bowen sich aufrecht hält, aber wenn sie's kann, dann schaff ich es auch.« Sie schraubte die Politurdose auf und legte den Deckel auf die Granitplatte. Ihre Mundwinkel zogen sich herab. Sie nahm etwas grüne Politur mit einem Lappen auf. Leise sagte sie: »Ein unschuldiges kleines Mädchen. Gott helfe uns, sie ist doch nur ein unschuldiges kleines Ding.«
    St. James setzte sich an die Bar neben dem Herd. Während Mrs. Maguire verbissen einen Vorlegelöffel putzte, sagte er:
    »Wann haben Sie Charlotte zuletzt gesehen?«
    »Gestern früh. Ich hab' sie in die Schule gebracht wie immer.«
    »Sie bringen sie jeden Morgen zur Schule?«
    »Ja, außer wenn Mr. Stone sie mitnimmt. Aber ich lauf immer nur hinter ihr her. Sie mag's nicht, wenn ich sie begleite. Ich schau', daß sie richtig zur Schule kommt und nicht irgendwo endet, wo sie nicht hingehört.«
    »Hat sie denn schon mal geschwänzt?«
    »Von Anfang an. Sie mag die St.-Bernadette-Schule nicht. Sie möchte lieber auf eine staatliche Schule, aber davon will Mrs. Bowen nichts hören.«
    »Ist Mrs. Bowen katholisch?«
    »Mrs. Bowen hat dem Herrn immer gut gedient, aber katholisch ist sie nicht. Sie geht sonntags regelmäßig in die Kirche.«
    »Dann ist es doch merkwürdig, daß sie für ihre Tochter eine katholische Schule ausgesucht hat.«
    »Sie meint, Charlie braucht strenge Disziplin. Und da ist eine katholische Schule genau das richtige.«
    »Und was meinen Sie?«
    Mrs. Maguire begutachtete mit zusammengekniffenen Augen den Löffel.
    »Was ich meine?«
    »Braucht Charlotte Disziplin?«
    »Kinder, die mit strenger Hand erzogen werden, brauchen keine Disziplin, Mr. St. James. So war's jedenfalls bei meinen eigenen fünf. Und so war's bei meinen Geschwistern und mir. Achtzehn Kinder waren wir, in drei Zimmern, in der County Kery, aber von uns hat nie einer was auf den Hintern gebraucht, damit er gehorcht. Aber die Zeiten haben sich geändert, und ich bin die letzte, die an den Erziehungsmethoden einer anständigen und gottesfürchtigen Frau wie Mrs. Bowen, die in einem schwachen Moment mal gestolpert ist, rummäkeln würde. Der Herr vergibt uns unsere Sünden, und er hat ihr die ihren längst vergeben. Außerdem hat man als Frau für manche Dinge ein natürliches Talent und für andere eben nicht.«
    »Was für Dinge meinen Sie?«
    Mrs. Maguire konzentrierte sich auf das Polieren des Löffels. »Mrs. Bowen gibt ihr Bestes«, sagte sie. »Sie gibt ihr Bestes und hat das schon immer getan.«
    »Sind Sie schon lange bei ihr?«
    »Seit Charlie sechs Wochen alt war. Gott, war die Kleine ein Schreihals, als hätte Gott sie auf die Erde geschickt, um die Geduld ihrer Mutter zu prüfen. Es wurde erst besser, als sie reden gelernt hat.«
    »Und wie stand es mit Ihrer eigenen Geduld?«
    »Wenn man fünf Kinder großziehen muß, lernt man Geduld. Charlies Krawall war für mich nichts Neues.«
    »Und Charlottes Vater?« fragte St. James wie selbstverständlich. »Wie ist er mit ihr umgegangen?«
    »Mr. Stone?«
    »Nein, ich meine Charlottes leiblichen Vater.«
    »Diesen Schurken kenne ich nicht. Glauben Sie vielleicht, der hätte auch nur ein einziges Mal was hören lassen, angerufen oder geschrieben? Nein, der nicht. Der hat sich überhaupt nicht um sein Kind gekümmert. Aber Mrs. Bowen sagt immer, genauso hätte sie's gewollt. Sogar jetzt noch! Stellen Sie sich das vor! Herr Jesus, dieses Monster hat ihr wirklich übel mitgespielt.« Mrs. Maguire hob ihren Arm zu ihrem Gesicht. Sie drückte den weiten Ärmel erst unter das eine Auge, dann unter das andere und sagte: »Entschuldigen Sie. Aber wissen Sie, ich fühl' mich so hilflos. Da sitz' ich hier in diesem Haus und tu so, als war's ein Donnerstag wie jeder andere. Ich weiß ja, daß es das Beste ist. Ich weiß, daß es für Charlie ist. Aber es ist Wahnsinn. Einfach Wahnsinn.«
    Sie griff zu einer Gabel, pflichtbewußt, wie Eve Bowen es von ihr erwartete. Aber im Herzen schien sie woanders zu sein. Ihre Lippen bebten, während sie das Putzmittel auf dem Silber verrieb. Die Gefühle der Frau

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