Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
Decke noch fester um sich. Die feuchten Stellen drückten sich kalt an ihre Beine. Sie zog die Beine hoch, rollte sich zusammen. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und schob die Fäuste unter ihr Kinn. Sie preßte die Fäuste an ihren Hals, um nicht zu spüren, wie durstig sie war.
    Baby, hörte sie Breta spotten.
    »Ich bin kein Baby.«
    Nein? Dann beweis es doch. Beweis es, Lottie Bowen.
    Beweis es. Damit erreichte Breta immer, was sie wollte. Beweis doch, daß du kein Baby bist, beweis doch, daß du meine Freundin sein willst, beweis doch, daß du mich am liebsten magst, beweis, daß du ein Geheimnis für dich behalten kannst. Beweis es, beweis es. Gieß das ganze Schaumbad in die Wanne und laß es überlaufen, damit es wie Schnee aussieht. Klau deiner Mutter den Lippenstift, und mal dich in der Schule damit an. Spül deine Unterhosen im Klo runter und geh ohne. Laß die Schoko da für mich mitgehen - nein, nimm gleich zwei. Weil nämlich beste Freundinnen alles füreinander tun. Sonst sind sie nicht beste Freundinnen. Möchtest du nicht die beste Freundin von jemandem sein?
    Aber natürlich wollte Lottie das. Und wie! Breta hatte Freundinnen. Sie hatte massenhaft Freundinnen. Wenn Lottie also auch Freundinnen haben wollte, mußte sie mehr wie Breta sein. Das hatte Breta ihr von Anfang an klargemacht.
    Lottie stemmte ihre Hände gegen die Ziegelsteine und richtete sich auf. Schwindel brach über sie herein wie eine hohe Welle im Meer. Sie zog die Knie hoch, so daß sie nur noch mit den Füßen und dem Gesäß den Boden berührte. Als der Schwindel vorüberging, stand sie auf. Sie schwankte, aber sie fiel nicht hin.
    Doch nun wußte sie nicht, was sie tun sollte. Zögernd wagte sie einen Schritt in die Dunkelheit, ihre Finger wie Fühler ausgestreckt. Sie zitterte vor Kälte. Sie zählte ihre Schritte, während sie sich vorantastete.
    Was ist das für ein Raum? dachte sie. Eine Höhle war es nicht. Es war so dunkel wie in einer Höhle, aber eine Höhle hatte keinen Boden aus Ziegelsteinen und auch keine Tür. Wo war sie also?
    Die Hände vor sich ausgestreckt, gelangte sie zu einer Mauer. Die Formen und die Oberfläche, die sie ertasteten, kamen ihr bekannt vor. So etwas hatte sie schon berührt. Ziegelsteine. Wie ein Maulwurf schob sie sich an der Wand entlang. Ihre Hände glitten über das Mauerwerk, erst aufwärts, dann abwärts. Sie suchte nach einem Fenster - meistens hatten Mauern doch Fenster, oder? -, einem vernagelten Fenster mit einer Ritze, durch die sie würde hinaussehen können.
    Da gibt's kein Fenster, Lottie, hätte Breta gesagt, während Lottie die Wände abklopfte und absuchte. Du würdest nämlich Licht durch die Ritzen zwischen den Brettern sehen, und hier ist nirgends Licht. Also gibt's auch kein Fenster, du Doofe.
    Breta hatte recht. Aber Lottie fand die Tür. Das Holz war rauh und roch modrig. Sie tastete auf ihm umher, bis sie den Türknauf fand. Sie versuchte, ihn zu drehen, aber es ging nicht. Dann begann sie auf das Holz zu trommeln. Und zu schreien. »Laßt mich hier raus! Mama! Mama!«
    Nichts rührte sich. Sie drückte ihr Ohr an das Holz, aber sie hörte gar nichts. Wieder schlug sie gegen die Tür. Am dumpfen Geräusch der Schläge hörte sie, daß das Holz sehr dick sein mußte, wie bei einer Kirchentür.
    Bei einer Kirchentür? War sie vielleicht tief unten in einer Kirche? Wo sie die Toten hinbrachten? Breta hätte gelacht. Sie hätte Gespenstergeräusche gemacht und wäre mit einem Leintuch auf dem Kopf durch den Raum gehüpft.
    Lottie bekam es mit der Angst bei dem Gedanken an Tote und Gespenster. Sie ging von der Tür weg und tastete sich weiter durch die Dunkelheit. Raus, dachte sie, ich muß hier raus. Und sie kroch an der Mauer entlang, bis sie sich ihr aufgeschlagenes Knie anstieß.
    Sie zuckte zusammen, aber sie gab keinen Laut von sich. Sie streckte die Arme aus, um festzustellen, woran sie gestoßen war. Wieder Holz, aber nicht rauh wie das der Kisten. Ihre Finger glitten hastig darüber. Es war so was wie ein Brett. Es war zwei Hände breit. Und darüber war wieder so ein Brett, ganz genau so breit. Drunter war noch eins. Ein viertes schien schräg an der Mauer hinaufzusteigen. Es war an den Ziegeln befestigt ...
    Eine Treppe, dachte sie.
    Sie zog sich hinauf. Die Treppe war schrecklich steil, fast wie eine Leiter. Sie mußte mit Händen und Füßen klettern, und dabei erinnerte sie sich an einen Ausflug nach Greenwich, auf die Cutty Sark, wo sie über eine Treppe wie

Weitere Kostenlose Bücher