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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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seit Monaten oder Jahren in rostigen Rohren stand.
    Er trat gerade wieder ins Wohnzimmer, als Helen aus dem Schlafzimmer kam. Offensichtlich hatte sie etwas entdeckt.
    »Simon«, sagte sie aufgeregt, »hast du gesehen -«
    »Ja. Hier war jemand. Und er hat sich länger hier aufgehalten.«
    »Du hattest also recht. Mit dem Stadtstreicher.«
    »Es kann auch Zufall sein.«
    »Das glaube ich nicht.« Sie wies nach hinten. »Ich war eben im Bad. Der Spiegel dort ist sauber, jedenfalls zum Teil, so daß man sich gut darin betrachten kann.« Sie schien auf eine Reaktion zu warten, und als St. James nichts sagte, fügte sie ungeduldig hinzu: »Er hat doch bestimmt einen Spiegel gebraucht, um sich als Penner herzurichten.«
    Es war eine Möglichkeit, doch St. James war nicht bereit, aus einem so geringfügigen Indiz den Schluß zu ziehen, sie hätten das Versteck des Stadtstreichers gleich auf Anhieb gefunden. Er ging zum Fenster des Wohnraums. Es war völlig verschmutzt bis auf ein Fleckchen auf einer der vier Scheiben, das sorgsam blank gerieben war.
    St. James blickte durch das Glas. Er bedachte die Unterschiede zwischen dieser Wohnung und den anderen, bedachte die Fußabdrücke, das offensichtlich neu angebrachte Überwurfschloß und seine Bedeutung. Es war klar, daß sich hier niemand auf Dauer niedergelassen hatte - die Abwesenheit von Möbeln, Kochgeschirr, Kleidung und Nahrungsmitteln war dafür Beweis genug. Daß sich hier aber erst vor kurzem jemand länger aufgehalten hatte, dieser Schlußfolgerung konnte er sich nicht entziehen. Der ausgebreitete Teppich, das Wasser in den Rohren, das Fehlen jeglicher Abfälle bezeugten es.
    »Ich bin wie du der Meinung, daß jemand hiergewesen ist«, sagte er zu Helen, noch immer durch das blankgeriebene Fleckchen im Fenster blickend. Es ging auf die George Street hinaus. Schräg gegenüber war der Parkplatz hinter dem japanischen Restaurant zu sehen, auf dem er seinen MG abgestellt hatte. Er neigte sich etwas zur Seite, um besser hinübersehen zu können. »Aber ob es sich tatsächlich um unseren Stadtstreicher handelt, Helen, läßt sich -« Er brach ab. Er kniff die Augen zusammen und starrte über den Parkplatz hinweg zu der Straße dahinter. Unmöglich, dachte er. Ausgeschlossen.
    »Was ist?« fragte Helen.
    Ohne den Blick abzuwenden, streckte er den Arm nach ihr aus und zog sie zum Fenster. Er stellte sie vor sich hin, drehte ihren Kopf in Richtung des japanischen Restaurants und legte seine Hände auf ihre Schultern.
    »Siehst du das Restaurant? Und den Parkplatz dahinter?«
    »Ja. Warum?«
    »Sieh über den Parkplatz hinaus. Siehst du die andere Straße?«
    »Natürlich. Meine Augen sind nicht schlechter als deine.«
    »Und auf der anderen Straßenseite? Das Gebäude? Siehst du es?«
    »Welches - oh, den Backsteinbau? Mit der Vortreppe? Ich kann das Portal sehen und ein paar Fenster.« Sie drehte sich zu ihm um. »Warum? Was ist das?«
    »Das ist die Blandford Street, Helen. Und von hier aus - durch dieses Fenster, das einzige halbwegs saubere Fenster in der ganzen Wohnung! - sieht man klar und deutlich einen Teil der St.-Bernadette-Grundschule.«
    Sie bekam große Augen. Mit einem Ruck drehte sie sich wieder zum Fenster.
    »Simon!« sagte sie.

    Nachdem St. James Helen am Onslow Square abgesetzt hatte, fand er am Lordship Place einen Parkplatz für seinen MG und trat durch das verwitterte Tor in den Garten seines Hauses in der Cheyne Row. Cotter war, wie er sah, in der Küche beschäftigt. Er stand am Spültisch und schrubbte neue Kartoffeln, und zu seinen Füßen saß Peach und wartete darauf, daß etwas für ihn abfallen würde. Als St. James hereinkam, sah der Hund zwar zu ihm hinüber und wedelte freundlich mit dem Schwanz, gab jedoch seinen Platz zu Cotters Füßen nicht auf. Dort waren die Chancen auf einen Happen Eßbares größer. Die Katze der Familie - ein mächtiges graues Tier namens Alaska, etwa doppelt so groß wie der kleine Dackel - hockte auf der Fensterbank über der Spüle und quittierte St. James' Ankunft mit typisch kätzischer Blasiertheit: Sie zuckte einmal kurz mit dem Schwanz, dann döste sie faul weiter, wie es ihrer Art entsprach.
    »Na endlich«, sagte Cotter zu St. James und nahm ein Kartoffelauge in Angriff.
    St. James warf einen Blick zu der Uhr über dem Herd. Es war noch nicht Essenszeit. »Gibt's ein Problem?« fragte er.
    Cotter räusperte sich geräuschvoll. Mit dem Kartoffelschäler wies er zur Treppe. »Deb hat zwei Männer

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