08 - Old Surehand II
Arbellez!“
„Versucht es!“ – Der wackere Alte ging in den Saal, die beiden Damen mit ihm.
Als jedoch Emma an dem Grafen vorüberschritt, sagte sie mit verächtlich gekräuselten Lippen und funkelnden Augen: „Das war niederträchtig – das war armselig!“
Die Indianerin folgte ihr mit niedergeschlagenen Augen; es widerstrebte ihr, den Grafen zu verachten, und dennoch konnte sie ihm nicht in das Gesicht sehen. Er blieb stehen; er kehrte nicht wieder nach dem Saal zurück. Er warf die Serviette zu Boden, stampfte sie mit den Füßen und knirschte: „Das sollt Ihr büßen, und bald, bald, bald!“
Nach dieser ohnmächtigen Zornesäußerung suchte er seine Zimmer auf.
Die anderen nahmen ein lukullisches Mahl ein. Da gab es große Schnitten von Wassermelonen mit fleischfarbigem Innern, deren wohlschmeckender Saft in rosigen Tropfen auf die silbernen Platten perlte; halb geöffnete Granaten, Früchte des Kerzenkaktus, Orangen, süße Limonen, Grenadillen und alle die Fleisch- und Mehlspeisen, an welchen die mexikanische Küche so überaus reich ist. Während des Essens wurden die Erlebnisse ausführlicher besprochen, als es bisher möglich gewesen war; dann bat der Haziendero, den Señores ihre Zimmer anweisen zu dürfen.
Die beiden Freunde wohnten nebeneinander. Es war dem Deutschen doch unmöglich, lange in dem engen Raum zu bleiben; er verließ ihn und suchte den Garten auf, wo er sich von Wohlgerüchen umduften ließ, bis er hinaustrat in das Freie, um die herrlichen mexikanischen Renner auf der Weide zu beobachten.
Indem er so an den Palisaden hinschlenderte und um eine Ecke bog, erhob sich plötzlich vor ihm eine Gestalt, deren frappantes Äußeres ihn zum Stehen brachte. Der hohe, starke Mann war vollständig in ungegerbtes Büffelleder gekleidet, so wie die Ciboleros sie zu tragen pflegen; aber auf dem Kopf saß ihm der obere Teil eines Bärenschädels, von welchem einige Streifen Fell bis fast herab zur Erde schleiften. Aus dem breiten Ledergürtel schauten die Griffe von Messern und andern Werkzeugen; von der rechten Schulter bis zur linken Hüfte hatte er einen fünffach geflochtenen Lasso um den Leib geschlungen, an der Palisade lehnte eine jener alten, schmiedeeisernen Büchsen, wie sie vor hundert Jahren in Kentucky gemacht wurden, und die so schwer sind, daß sie ein gewöhnlicher Mann nicht zu handhaben vermag.
„Wer bist du?“ fragte Helmers im ersten Augenblick des Erstaunens.
„Ich bin ‚Büffelstirn‘, der Indianer“, antwortete der Gefragte.
„Tecalto bist du?“
„Ja. Kennst du mich?“
„Ich sah dich nie, aber ich habe viel, sehr viel von dir gehört.“
„Wer bist du?“
„Mein Name ist Helmers; ich bin ein Deutscher.“
Das ernste Gesicht des Indianers klärte sich auf. Er war vielleicht erst fünfundzwanzig Jahre alt und konnte als eine Schönheit des indianischen Typus gelten.
„So bist du der Jäger, welcher Karja, meine Schwester, befreit hat?“
„Der Zufall war mir hold.“
„Nein, das war kein Zufall. Du hast dir die Pferde der Komantschen geholt und bist ihnen nachgeritten. ‚Büffelstirn‘ ist dir vielen Dank schuldig. Du bist so tapfer wie Matava-fe, der Fürst des Felsens, der auch ein Deutscher ist.“
„Kennst du die Deutschen?“
„Ich kenne einige. Sie werden von den Amerikanern Dutchmen genannt. Sie sind stark und gut, tapfer und klug, wahr und treu. Ich habe gehört von einem von ihnen, den die Apachen und Komantschen Itinti-ka, den ‚Donnerpfeil‘, nennen.“
„Gesehen hast du ihn noch nicht?“ fragte der Deutsche.
„Er heißt der ‚Donnerpfeil‘, weil er schnell und sicher ist, wie der Pfeil, und mächtig und schwer wie der Donner. Seine Büchse fehlt nie ihr Ziel, und sein Auge irrt auf keiner Spur. Ich habe viel von ihm gehört; ich habe ihn bisher noch nie gesehen, aber heute sehe ich ihn.“
„Wo?“ fragte Helmers überrascht.
„Hier. Du bist es!“
„Ich? Woran erkennst du mich?“
„Sieh deine Wange an. ‚Donnerpfeil‘ hat einen Bowiemesserstich durch die Wange erhalten, das weiß ein jeder, der einmal von ihm gehört hat. Solche Erkennungszeichen merkt man sich. Habe ich richtig geraten oder nicht?“
Helmers nickte. „Du hast recht. Man nennt mich Itinti-ka, den ‚Donnerpfeil‘.“
„So danke ich Wahlkonta (Gott), daß er mir erlaubt hat, mit dir zu sprechen. Du bist ein tapferer Mann; reiche mir deine Hand, und sei mein Bruder!“
Sie schlugen ein, und Helmers sagte: „So lange unsere Augen
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