08 - Old Surehand II
erreichte nachmittags das Ziel.
Unter einer Hacienda versteht man eine Meierei; doch sind diese mexikanischen Haciendas sehr oft mit unseren größten Rittergütern zu vergleichen, da zu ihnen zuweilen ein Länderkomplex von der Größe eines deutschen Fürstentums gehört.
Die Hacienda del Erina war ein fürstlicher Besitz. Das massive Gebäude war aus Bruchsteinen erbaut und von Palisaden umgeben, welche gegen räuberische Überfälle einen starken Schutz gewährten. Das Innere des einem Schlosse gleichenden Herrenhauses war auf das feinste ausgestattet und zeigte eine solche Geräumigkeit, daß Hunderte von Gästen da Wohnung finden konnten.
Umgeben wurde das Haus von einem großen Garten, in welchem die prachtvollste tropische Vegetation in strahlendsten Farben schimmerte und üppigste Düfte verbreitete. Hieran schloß sich auf der einen Seite der dichte Urwald, auf der anderen ein ausgedehnter Feldwuchs, und auf den beiden übrigen sah man große Weiden sich ausdehnen, auf denen sich Herden tummelten, deren Stückzahl tausende betrug.
Bereits als die Kavalkade an den Weiden vorüberritt, kamen mehrere Vaqueros mit lautem Jubel herbeigesprengt, um die Kommenden zu begrüßen. Der Jubel aber wurde sehr bald zum Zornesausbruch, als sie erfuhren, daß so viele ihrer Kameraden unter den Händen der Komantschen gefallen seien. Sie baten sofort, einen Rachezug gegen die Roten zu veranstalten.
Der Majordomo ritt der Kavalkade voran, um sie anzumelden. Darum stand, als die Reiter an der Hacienda anlangten, der alte Petro Arbellez bereits unter dem Tor, um seine Tochter und deren Begleiter zu begrüßen. Tränen der Freude standen ihm in den Augen, als er sie vom Pferde hob.
„Sei willkommen, mein Kind“, sagte er. „Du mußt auf dieser gefährlichen Reise viel gelitten haben, denn du bist anders beritten und siehst sehr angestrengt aus.“
Emma umarmte und küßte ihn innig und antwortete:
„Ja, mein Vater, ich war in einer Gefahr, welche größer ist als Lebensgefahr.“
„O Gott, in welcher?“ fragte er, indem er auch die Indianerin freundlich bewillkommnete.
„Wir wurden von den Komantschen gefangen.“
„Heilige Mutter Gottes! Sind die jetzt am Rio Pecos?“
„Ja. Hier diese beiden Männer sind unsere Retter.“
Sie nahm den Deutschen und Apachen bei der Hand, führte sie dem Vater zu.
„Dieser hier ist Señor Antonio Helmers aus Deutschland, und dieser ist Shoshin-liett, der Häuptling der Apachen. Ohne sie hätte ich die Squaw eines Komantschen werden müssen, und die anderen hätte man am Pfahle zu Tode gemartert.“
Dem alten braven Verwalter trat bereits vom bloßen Gedanken daran der Angstschweiß auf die Stirn.
„Mein Gott, welch' ein Unglück, und doch zugleich auch wieder welch' ein Glück. Willkommen, Señores, von ganzem Herzen willkommen! Ihr sollt mir alles erzählen, und dann will ich sehen, wie ich euch dankbar sein kann. Kommt herein, und seid die Herren dieses Hauses!“
Das war ein sehr freundlicher und liebenswürdiger Empfang. Überhaupt machte der Anblick des alten Mannes den Eindruck der Ehrlichkeit und Biederkeit; man mußte ihn sofort lieb haben.
Die Gäste kamen durch das Palisadentor, übergaben ihre Pferde einigen Knechten und traten in das Gebäude. Während der Majordomo mit den Vaqueros in dem Vorraum zurückblieb, führte der Haziendero die beiden anderen mit den Damen nach dem Empfangszimmer, wo Platz genommen wurde, bis Emma in großen Umrissen ihr Abenteuer berichtet hatte.
„Mein Jesus“, klagte der Haziendero; „was müßt ihr gelitten haben, ihr Mädchen! Aber Gott hat diese beiden Señores gesandt, um euch zu retten. Ihm und ihnen sei Dank. Was wird der Graf und was wird Tecalto sagen, wenn sie es hören!“
„Tecalto?“ fragte die Indianerin erfreut. „Ist ‚Büffelstirn‘, mein Bruder, da?“
„Ja, er ist gestern angekommen.“
„Und der Graf auch?“ fragte Emma.
„Ja, bereits eine Woche.“
„Ah, da ist er!“
Die Tür zu dem nebenan liegenden Speisesaal öffnete sich, und Graf Alfonzo trat heraus. Er trug einen rotseidenen, persisch in Gold gestickten Schlafrock, eine Hose vom feinsten, weißen, französischen Linnen, blaue Samt-Hausschuhe und einen türkischen Fez auf dem Kopfe. Er verbreitete einen Odeur um sich, daß man meinte, in einer Parfümeriehandlung zu sein. Die offengebliebene Tür erlaubte, einen Blick in den Speisesalon zu tun. Die Ausschmückung desselben war mehr als fein, war luxuriös, und an der Serviette,
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