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08 - Old Surehand II

08 - Old Surehand II

Titel: 08 - Old Surehand II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ehrlicher Mann, wie es unter den Bleichgesichtern wenige gibt. Darum sollst du den Schatz der Könige sehen.“
    Und eine Stunde später zur Zeit des Mittagsmahles, als die andern beim Nachtisch saßen, schlüpfte die Indianerin in das Zimmer des Grafen.
    „Hast du das Papier geschrieben?“ fragte sie.
    „Kannst du lesen?“ erkundigte er sich.
    „Ja“, antwortete sie stolz.
    „Hier ist es.“ – Er gab ihr einen Bogen Papier, auf welchem folgende Zeilen zu lesen waren: „Ich erkläre hiermit, daß ich nach Empfang des Schatzes der Könige der Mixtekas mich als Verlobten von Karja, der Nachkömmlingin dieser Könige, betrachten und sie als meine Gemahlin heimführen werde.
    Alfonzo
    Graf de Rodriganda y Sevilla.“
    „Ist es so recht?“ fragte er.
    „Die Worte sind gut, aber das Siegel fehlt!“
    „Das ist ja nicht notwendig!“
    „Du hast es mir versprochen.“
    „Gut, so magst du es haben“, sagte er, seinen Unwillen verbergend. Er brannte den Wachsstock an und drückte sein Siegel über die Worte.
    „Hier, Karja! Und nun halte auch du dein Wort!“
    „Ich halte es.“
    „Nun? Wo ist der Schatz versteckt?“
    „Kennst du den Berg El Reparo?“
    „Ja. Er liegt vier Stunden von hier gegen Westen.“
    „Er sieht fast aus wie ein langgezogener, hoher Damm.“
    „Das stimmt.“
    „Von ihm fließen drei Bäche in das Tal. Der mittelste ist der richtige. Sein Anfang bildet keinen offenen Quell, sondern er tritt gleich voll und breit aus der Erde heraus. Wenn du in das Wasser steigst und da, wo er aus dem Berg kommt, dich bückst und hineinkriechst, so hast du die Höhle vor dir.“
    „Ah, das wäre doch recht einfach!“
    „Sehr einfach!“
    „Braucht man Licht?“
    „Du wirst Fackeln rechts vom Eingang finden.“
    „Das ist alles, was du mir zu sagen hast?“
    „Alles.“
    „Und der Schatz befindet sich wirklich noch vollständig dort?“
    „Vollständig.“
    „So habe Dank, mein gutes Kind! Du bist jetzt meine Verlobte und wirst nun bald mein Weibchen sein. Jetzt aber geh. Man könnte uns hier überraschen!“
    Sie steckte das Dokument ein und ging. Sie hatte ein Opfer gebracht, aber dieses Opfer lag ihr mit Zentnerschwere auf der Seele.
    Inzwischen hatte sich ‚Bärenherz‘, der Häuptling der Apachen, eines der halbwilden Pferde der Hacienda eingefangen und war spazierengeritten. Er hatte Zeit und nahm bei der Heimkehr nicht etwa den geradesten und bequemsten Weg, sondern er folgte den Tälern, Schluchten und Gründen, wie sie ihm gerade in die Richtung kamen, bis er, in einer Vertiefung reitend, plötzlich zankende Stimmen vernahm. Gleich darauf ertönte ein Schuß und ein Schrei. – Ein solches Vorkommnis ist verdächtig, besonders einem vorsichtigen Indianer. Er stieg ab, band sein Pferd an, griff zur Büchse und pirschte sich vorsichtig der Gegend zu, in welcher der Schuß gefallen war. Es war nicht weit. Er kroch eine Böschung empor, deren Höhe mit wilder Myrte besetzt war. Als er diese Büsche erreichte, erblickte er zwischen diesen hindurch ein kleines, aber tiefes Tälchen, in welchem sich um ein abgebranntes Feuer herum achtzehn Männer und zwei Leichen befanden. Dabei lagen eine Menge Kisten, Säcke und Packsättel auf einem Haufen. Einer der Männer hatte eine Pistole in der Hand, welche er lud.
    „Es bleibt dabei“, sagte er; „wer widerspricht, der wird einfach erschossen.“
    „Werden uns die Schüsse nicht verraten?“ fragte ein anderer schüchtern.
    „Schwachkopf, wer wird sich an uns wagen!“
    ‚Bärenherz‘ verstand das Gemisch von Spanisch und Indianisch, welches an der Grenze gesprochen wird, sehr gut; diese Leute hier aber redeten reines Spanisch, welches er nicht verstand. Er hielt diese Leute für eine Jagdtruppe, deren Mitglieder untereinander in Streit geraten waren und aufeinander geschossen hatten. Das kommt in Mexiko häufig vor, ohne daß es groß beachtet wird. Er zog sich also leise wieder zurück, bestieg sein Pferd und ritt nach der Estanzia.
    Der Graf ließ sich während des ganzen Tages nicht sehen. Er wußte nun, was er hatte wissen wollen, und ließ durch seine beiden Diener seine Sachen packen. Nach dem Abendessen ging er zu Arbellez und erklärte ihm, daß er abreisen werde. So auffallend dies erscheinen mochte, der Haziendero fragte ihn nicht nach dem Grund und versuchte auch nicht, ihn zu halten. Als Rodriganda von da aus in sein Zimmer zurückkehrte, begegnete er Karja. In der Überzeugung, nun am Ziel zu sein, beging er zufolge

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