08 - Old Surehand II
guten Morgen zu wünschen. Trotz der kurzen Zeit ihres Beisammenseins hatte er den Deutschen herzlich liebgewonnen.
„Ich komme eigentlich mit einer Bitte“, sagte er.
„Die ich erfüllen werde, wenn ich kann“, meinte Helmers.
„Sie können es. Sie befinden sich hier in der Einsamkeit, wo Sie Ihre Bedürfnisse gar nicht befriedigen können, während ich von allem einen Vorrat habe, da ich die Meinigen mit dem, was sie brauchen, versehen muß. Wollen Sie sich mit Wäsche und einer neuen Kleidung versehen, so hoffe ich, daß sie mit meinen Preisen zufrieden sein werden.“
Helmers wußte gar wohl, wie es gemeint war, aber einesteils konnte er den guten Haziendero doch nicht gut beleidigen, und andernteils befand sich sein alter Jagdanzug in einem sehr tragischen Zustand. Er überlegte sich die Sache also kurz und sagte: „Gut, ich nehme Ihr Anerbieten an, Señor Arbellez, vorausgesetzt, daß Ihre Preise nicht gar zu hoch sind, denn ich bin, offen gestanden, das, was man einen armen Teufel nennt.“
„Hm, eine Kleinigkeit muß ich mir doch auch verdienen, obgleich die Zahlung nicht gerade gleich heute notwendig ist. Kommen Sie, Señor; ich werde Ihnen meine Vorratskammer zeigen!“ sagte Arbellez lachend.
Als eine Stunde später Helmers vor dem Spiegel stand, kam er sich selbst ganz fremd und vornehm vor. Er trug eine unten aufgeschlitzte, goldverbrämte mexikanische Hose, leichte Halbstiefel mit ungeheuren Rädersporen, ein schneeweißes Hemd, darüber eine kurze, vorn offene Jacke, die mit Gold- und Silberstücken besetzt war, auf dem Kopf einen breitkrempigen Sombrero und um die Taille einen Shawl von chinesischer Seidengaze. Das Haar war verschnitten, der Bart ausrasiert und zugestutzt, und so erkannte er sich in dieser kleidsamen, reichen Tracht kaum selbst wieder.
Als er zum Frühstück in den Speisesaal trat, fand er Emma bereits anwesend. Sie errötete vor Entzücken, als sie die Veränderung bemerkte, die mit ihm vorgegangen war. So männlich und so schön hatte sie sich ihn doch nicht ganz gedacht. Auch Karja, die Indianerin, schien erst jetzt zu sehen, welch ein Mann der Deutsche war. Vielleicht stellte sie Vergleiche zwischen ihm und dem Grafen an. Die beiden Indianerhäuptlinge taten natürlich, als bemerkten sie diese Veränderung gar nicht. Einer aber ärgerte sich fürchterlich darüber.
Das war der Graf. Die Hoffnung, bald in den Besitz des Schatzes zu gelangen, mochte ihn nachgiebig stimmen; er erschien zum Frühstück, wäre aber fast wieder umgekehrt, als er Helmers erblickte. Kein Mensch sprach ein Wort. Er knirschte heimlich mit den Zähnen und nahm sich vor, diesen Menschen unschädlich zu machen.
Als Helmers nach dem Frühstück hinaus auf die Weide kam, fand er den Häuptling der Mixtekas, der während der Nacht einen guten, freundlichen Entschluß gefaßt hatte. Als er die neue Kleidung des Deutschen sah, sagte er: „Mein Bruder ‚Donnerpfeil‘ darf so ein Gewand tragen, denn er ist ein reicher Mann.“
„Oh, das ist ein Geschenk von Señor Arbellez; ich bin noch ebenso arm wie bisher.“
„Nein“, sagte der Indianer ernst; „du bist reich, denn du hast die Karte zur Höhle des Königsschatzes.“
Der Deutsche trat erstaunt einen Schritt zurück.
„Woher weißt du das?“
„Ich weiß es! Darf ich die Karte sehen?“
„Ja!“
„Sogleich?“
„Komm!“ – Er führte ihn in sein Zimmer und legte ihm das alte abgegriffene Papier vor. Tecalto warf einen Blick in die Ecke des Planes und sagte: „Ja, du hast sie! Das ist das Zeichen von Toxertes, welcher der Vater meines Vaters war. Er mußte das Land verlassen und kehrte nie wieder zurück. Du hast ihm Gutes getan und bist nicht arm. Willst du die Höhle des Königsschatzes sehen?“
„Kannst du sie mir zeigen?“
„Ja.“
„Wem gehört der Schatz?“
„Mir und Karja, meiner Schwester. Wir sind die einzigen Abkömmlinge der Könige der Mixtekas. Soll ich dich führen?“
„Ich gehe mit!“
„So sei bereit, heut zwei Stunden nach Mitternacht. Dieser Weg darf nur im Dunkel der Nacht angetreten werden.“
„Wer darf davon wissen?“
„Niemand. Aber der Tochter des Haziendero magst du es anvertrauen.“
„Warum ihr?“
„Weil sie weiß, daß du den Schatz suchst.“
„Ah, woher weißt du das?“
„Ich habe jedes Wort gehört, welches ihr gestern im Garten geredet habt. Du hattest die Karte und wolltest dennoch nichts nehmen. Du wolltest erst forschen, ob der Erbe vorhanden sei. Du bist ein
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