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08 - Old Surehand II

08 - Old Surehand II

Titel: 08 - Old Surehand II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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richtig. –
    Die Komantschen zählten wirklich zweihundert Mann. Sie wurden angeführt von einem ihrer berühmtesten Häuptlinge, welcher Tokvi-tey, der ‚Schwarze Hirsch‘, hieß. Ihm zur Seite ritten zwei Kundschafter, von denen der eine die Gegend um die Hacienda genau kannte, während der andre zu denen gehört hatte, welche von den Mexikanern unter Anführung des Deutschen und des Apachen besiegt worden waren. So konnten sie sich in der Richtung nach der Estanzia gar nicht irren.
    Sie ritten, ohne zu ahnen, daß sie von dem berühmten Apachenhäuptling verfolgt wurden, nach indianischer Weise über die Berge, nämlich immer einer hinter dem andern, und gelangten schließlich an den nördlichen Fluß des El Reparo, dessen Abhang sie erstiegen, um dann unter den dichten Bäumen des Waldes Halt zu machen.
    „Weiß mein Sohn hier einen Ort, an dem wir uns während des Tages verbergen könnten?“ fragte der ‚Schwarze Hirsch‘ den einen der Führer, welcher die hiesige Gegend kannte.
    Der Gefragte sann nach und antwortete dann:
    „Ich weiß einen.“
    „Wo?“
    „Auf der Höhe des Berges.“
    „Was ist es für ein Ort?“
    „Es ist die Ruine eines alten Tempels, dessen Vorhöfe Platz für tausend Krieger haben.“
    „Kann man da verborgen sein?“
    „Ja, wenn kein Auge uns kommen sieht.“
    „Weiß mein Sohn den Ort genau?“
    „Ich werde nicht irren.“
    „Und glaubt mein Sohn, daß wir ihn erst auskundschaften müssen?“
    „Es ist besser und sicherer so.“
    „So werden wir beide gehen, während die andern warten.“
    Sie stiegen von ihren Pferden, nahmen die Waffen zur Hand und drangen in den Wald ein.
    Der Indianer besitzt für Örtlichkeitsverhältnisse einen angeborenen Instinkt und einen so gut geübten Scharfsinn, daß er sich fast nie verirren kann. Der Führer strich mit einer bewundernswerten Sicherheit gerade auf die Ruine zu durch den nächtlich stockfinsteren Wald. Der Häuptling folgte ihm. Trotz der Schwierigkeiten, welche die Dunkelheit bot, erreichten sie die verfallenen Mauern des Tempelwerkes und begannen, dasselbe zu durchsuchen.
    Sie fanden nicht die mindeste Spur von der Anwesenheit eines Menschen und hegten schon die Überzeugung, daß sie sicher seien, als sie plötzlich anhielten und lauschten. Es war ein Schrei erklungen, ein Schrei, welcher aus keiner menschlichen Kehle zu stammen schien. 
    „Was war das?“ fragte der ‚Schwarze Hirsch‘.
    „Ein Schrei, aber von wem?“
    „Es klang fast wie der Todesschrei eines Pferdes.“
    „Ich habe einen solchen Laut noch nie gehört“, erklärte der Führer.
    Da erklang der Schrei abermals, lang gezogen und gräßlich.
    „Ein Mensch!“ sagte der Häuptling.
    „Ja, ein Mensch“, stimmte der Führer jetzt bei.
    „In Todesangst!“
    „In tiefster Verzweiflung!“
    „Wo war es?“
    „Ich weiß nicht. Das Echo täuscht.“
    „Man muß diese Mauern verlassen.“
    Sie kletterten über das Trümmerwerk hinaus in das Freie, und als der markerschütternde Ruf nun abermals erscholl, hörten sie, welches die Richtung war. 
    „Grad vor uns“, sagte der Führer.
    „Ja, grad vor uns. Wir wollen sehen, was es ist!“
    Sie schlichen sich vorsichtig weiter und gelangten an den Rand des Teiches, dem sie entlang gingen, bis der Schrei grad vor ihnen ausgestoßen wurde. Die Wilden konnten sich eiserner Nerven rühmen, aber sie erschraken doch, als diese fürchterliche Stimme so in ihrer unmittelbaren Nähe erscholl.
    „Hier ist es“, sagte der Führer, „im Wasser.“
    „Nein, über dem Wasser ist es“, verbesserte der Häuptling.
    „Horch!“
    „Das plätschert und klappt, als seien es Krokodile.“
    Ein phophoreszierender Schein ging von dem Wasser aus, welches durch die Tiere bewegt wurde.
    „Sieht mein Sohn diesen Schimmer?“ fragte der Häuptling.
    „Ja.“
    „Es sind Krokodile.“
    „Und der Mensch unter ihnen? Unmöglich!“
    „Nein, der Mensch über ihnen, auf diesem Baum.“
    Er deutete dabei auf die Zeder, an welcher sie standen.
    „So muß er angebunden sein!“
    „Sicher!“
    Nun erschallte der Schrei abermals, und sie hörten, daß er aus der Luft kam, zwischen dem Wasser und der Krone des Baumes.
    „Wer ruft?“ fragte der Häuptling mit lauter Stimme.
    „Oh!“ antwortete es im Ton des Entzückens.
    „Wer ist es?“
    „Hilfe!“
    „Wo bist du?“
    „Ich hänge im Baum.“
    „Uff! Über dem Wasser?“
    „Ja. Kommt schnell.“
    „Wer bist du?“
    „Ein Spanier.“
    „Ein Spanier, ein

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