08 - Old Surehand II
unwillkürlich und gelangte so an das von der Frau de Voulettre bewohnte Haus. Auch hier herrschte eine ganz bedeutende Aufregung. Die Herrin war seit längerer Zeit spurlos verschwunden und fast sämtliche Gäste lagen betäubt und besinnungslos im Salon infolge eines in den Wein gemischten Giftes, wie die schleunigst herbeigeholten Ärzte aussagten. Mit der Frau de Voulettre war eine wertvolle Sammlung von Seekarten und nautischen Instrumenten verschwunden.
Dies alles hörte der Trapper erzählen. Ärzte, Polizisten und Seeleute flogen aus und ein, und ein riesiges Gedränge war vor dem Hause entstanden. Jetzt befand er sich selbst in Aufregung. Er konnte sich nicht erklären, in welcher Verbindung Sanders mit dieser Frau de Voulettre stehe, aber daß der erstere mit Hilfe der letzteren den ‚l'Horrible‘ entführt habe, wurde ihm zur unumstößlichen Gewißheit, obgleich es ihm unmöglich war, die Einzelheiten klar zu durchschauen.
Sollte er die Beobachtung des Apachen der Polizei mitteilen? Das hätte zu Vernehmungen und Weitläufigkeiten geführt, die seinem Zweck nur schaden konnten. Es gab nur einen einzigen schnellen und sicheren Weg, den die Polizei jedenfalls ganz von selbst einschlug: Der ‚l'Horrible‘ mußte verfolgt werden. Sam Fire-gun beschloß, dies auch auf seine eigene Faust zu tun. Dazu gehörte aber vor allen Dingen Geld zur Miete eines Schnelldampfers, und um dies zu bekommen, mußte er das Eintreffen seiner zurückgebliebenen Leute abwarten, welche den sämtlichen im Hide-spot verborgen gewesenen Goldreichtum mit sich führten. Seine Aufgabe am Quai hatte sich erledigt; er konnte zu Winnetou zurückkehren und sah sich gezwungen, seine Ungeduld zu bemeistern.
Er fuhr nach Oakland über, suchte Winnetou auf und legte sich bei ihm nieder. Winnetou schlief; er aber wachte. Der Gedanke, daß Sanders sich auf der See vielleicht in Sicherheit befinde, während er selbst, der ihm durch die weite Savanne Schritt für Schritt und unter unsäglichen Anstrengungen und Entbehrungen bis hierher gefolgt war, an das Land gebannt blieb und ihn sich entwischen lassen mußte, foltere ihn, so daß er sich ruhelos hin und her wälzte und die Minuten zählte, die ihn noch von den Seinigen trennten.
Die Habe, welche sie mit sich führten, hatte sie aufgehalten und darum war er mit dem Apachen ihnen vorausgeeilt, um die Verfolgten nicht aus den Augen zu verlieren. Nach seiner Berechnung konnten sie am Morgen eintreffen, und so erwartete er mit fieberhafter Ungeduld den Anbruch des Tages.
Die Sterne kehren sich nicht an die Wünsche des Menschenherzens; sie gehen ruhig ihren ihnen seit Jahrmillionen vorgeschriebenen Lauf; aber endlich gehen sie doch unter, und das siegreiche Licht des Tages wirft seine Strahlenflut über die weite Erde hin. Der Morgen war da. Sam Fire-gun beneidete den Apachen um seinen festen, ruhigen Schlaf, und überlegte eben, ob es Zeit sei, ihn zu wecken, als Winnetou plötzlich ganz von selbst in die Höhe sprang, mit munteren, scharfen Augen um sich blickte und dann sich wieder lauschend auf die Erde legte. Dann richtete er sich wieder empor.
„Mein Bruder lege sein Ohr an den Boden!“ sagte er.
Der Trapper tat es und vernahm ein allerdings kaum zu empfindendes Geräusch, welches sich der Stadt näherte. Der Sohn der Savanne hatte es sogar im Schlaf gemerkt. Winnetou horchte nochmals.
„Es nahen Reiter auf müden Pferden. Vernimmt mein Bruder das Wiehern eines Tieres? Es ist das böse Pferd des fremden Mannes, der auf dem großen Wasser gefahren ist.“
Er meinte mit dieser Umschreibung den Dakotatraber, welchen der Steuermann Peter Polter ritt. Sam Fire-gun wunderte sich nicht über den außerordentlichen Scharfsinn des Indianers; er war ähnliches und noch erstaunlicheres längst von ihm gewohnt. Er sprang erwartungsvoll von der Erde auf und beobachtete die Ecke eines Gesträuches, welches die Nahenden noch verbarg.
Nach einiger Zeit kamen sie zum Vorschein. Das war ich mit dem Neffen des Colonels. Hinter uns ritt der Steuermann, welcher wie gewöhnlich außerordentlich viel mit seinem Pferd zu schaffen hatte. Dann kamen die Jäger, Dick Hammerdull, Pitt Holbers, Bill Potter und einige andre. Jeder von ihnen hatte ein oder mehrere Pferde oder Maultiere, welche schwer beladen zu sein schienen, am Leitzügel.
„Seht ihr das Nest da vorn?“ rief Peter Polter. „Ich glaube, es ist endlich dieses San Francisco, welches ich von hier aus nicht kenne, weil ich es nur von der See
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