08 - Old Surehand II
den Goldvorrat, welcher ein bedeutender war, in das Comptoir. Er wurde untersucht und gewogen, und bald befand sich Sam Fire-gun im Besitz einer Summe, welche einen wahren Reichtum repräsentierte.
„Das wäre abgemacht“, meinte er. „Nun soll zunächst ein jeder den ihm gehörigen Anteil erhalten!“
Da trat Hammerdull hervor.
„Ob wir ihn erhalten oder nicht, das bleibt sich gleich, Colonel; aber was soll ich mit den alten Papieren tun? Ich brauche sie nicht, Ihr aber habt sie jetzt nötig. Pit Holbers, alter Coon, was meinst du dazu?“
„Wenn du denkst, Dick, daß wir dem Colonel die Wische lassen, so habe ich nichts dagegen; ich mag sie nicht. Eine fette Bärentatze oder ein Stück saftige Büffellende ist mir lieber. Dir nicht auch, Bill Potter?“
„Bin einverstanden“, nickte dieser. „Ich esse kein Papier und mein Pferd auch nicht, hihihihi. Der Colonel wird es uns schon wiedergeben, wenn er es nicht mehr braucht.“
„Ich danke euch für euer aufopferndes Vertrauen“, antwortete der Genannte; „doch weiß man ja nicht, wie sich die Verhältnisse gestalten werden. Ich zahle euch aus, was ihr zu bekommen habt; mir bleibt mehr als genug übrig. Brauche ich dennoch mehr, so seid ihr ja immer noch da, wenigstens einige von euch, denn allen werde ich nicht zumuten, mir auf die See zu folgen.“
„Ob ihr es uns zumutet oder nicht, das bleibt sich gleich, Colonel; ich gehe mit!“
„Ich auch!“ fiel Holbers ein.
„Und ich!“ rief der kleine Potter.
„Und ich – und ich!“ schlossen sich die übrigen an.
„Das wird sich ja entscheiden“, drängte Sam Fire-gun die treuen Leute zurück. „Jetzt laßt uns zunächst teilen!“
Gleich noch im Comptoir erhielt jeder das ihm Gehörige; dann verließen sie das Haus, stiegen wieder auf und ritten dem Hafen zu.
Außer den hier vor Anker liegenden Segelschiffen waren nur einige schwerfällige Schlepp- oder Güterdampfer zu sehen. Alle leichter gebauten Steamer hatten den Hafen verlassen, um die von den anwesenden Kriegsfahrzeugen auf den ‚l'Horrible‘ unternommene Jagd ein Stück weit zu verfolgen. Von den letzteren war nur das Panzerschiff zurückgeblieben, dessen Befehlshaber sich noch immer betäubt am Land befand.
Es war der rührigen Polizei bereits gelungen, einiges Licht in das Dunkel des nächtlichen Ereignisses zu bringen. Ein Bewohner des Parterre jenes Hauses, dessen erste Etage die Frau de Voulettre innehatte, war zufälligerweise im Garten gewesen, als drei Männer mit einem Koffer denselben passiert hatten. Auch der Kutscher war ermittelt worden, welcher die drei bis vor die Stadt gefahren hatte. Der Besitzer der am weitesten abgelegenen Schifferhütte hatte sich freiwillig gemeldet, um auszusagen, daß in voriger Nacht mehrere Kähne in seiner Nähe gehalten hätten. Er hatte sie beobachtet und gegen vierzig Männer einsteigen sehen, deren Anführer, von noch zweien begleitet, mit einem Koffer eingetroffen war und auf den Zuruf der aufgestellten Wache mit ‚der Schwarze Kapitän‘ geantwortet hatte. Der Schiffer oder Fischer war natürlich vorsichtig genug gewesen, seine Anwesenheit nicht kundzugeben.
Diese Aussagen, verbunden mit der allgemeinen Sage, daß der Segelmeister des ‚Schwarzen Kapitäns‘ ein Frauenzimmer gewesen sei, und endlich verschiedene in der Wohnung der Frau de Voulettre vorgefundene Papiere und sonstige Anzeichen gestatteten einen beinahe sicheren Einblick in den Zusammenhang des erst so undurchsichtigen Ereignisses. Dies alles erfuhren die Jäger von der am Quai auf und ab wogenden Menschenmenge, die sich über die Nachricht, daß der einst so furchtbare Seeräuber mitten aus einem sichern und außerordentlich belebten Hafen ein wohlbesetztes Kriegsfahrzeug geraubt habe, in außerordentlicher Aufregung befand.
Der Steuermann musterte die anwesenden Schiffe.
„Nun?“ fragte der Colonel ungeduldig.
„Keins, was für uns paßt; lauter Salztonnen und Heringsfässer, die in zehn Monaten kaum zwei Knoten zurücklegen. Und da draußen –“
Er hielt inne. Jedenfalls hatte er sagen wollen, daß weiter draußen auch kein passendes Fahrzeug zu bemerken sei, aber sein scharfes Auge mußte bei dem Blick, den er hinauswarf, auf etwas gefallen sein, was ihm die begonnene Rede abschnitt.
„Da draußen – – – was ist da draußen?“ fragte der Colonel.
„Hm, ich will nicht Peter Polter heißen, wenn ganz da hinten nicht ein kleiner, weißer Punkt zu sehen ist, der nichts andres als ein
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