08 - Old Surehand II
den diese Worte vorschrieben. Während die wenigen, welche zufälligerweise mit Waffen versehen waren, sich dem andringenden Feind entgegenwarfen, eilten die übrigen nach unten und kehrten im Handumdrehen zurück, mit Dolch und Enterbeil bewaffnet.
Obgleich der erste Angriff seine Opfer gefordert hatte, waren die Räuber der Besatzung der ‚Swallow' an Zahl noch weit überlegen, und es entspann sich ein Kampf, der um so fürchterlicher war, als seine Einzelheiten und das Terrain nicht zu überblicken waren.
„Fackeln herbei!“ brüllte Sanders.
Auch dieser Befehl wurde ausgeführt. Kaum aber verbreitete sich der Schein des Lichtes über die blutige Szene, so fuhr der Kapitän zurück, als habe er ein Gespenst erblickt. War's möglich? Grad vor ihm, den Tomahawk in der Rechten, der Häuptling der Apachen, und an seiner Seite das weiße, mähnenartige Haar von Sam Fire-gun.
„Die weiße Schlange wird ihr Gift hergeben!“ rief der erstere, warf die im Wege Stehenden auf die Seite und faßte Sanders an der Kehle. Dieser wollte den Feind abschütteln; es gelang ihm nicht; auch der Colonel hatte ihn ergriffen; er fühlte sich emporgehoben und zu Boden geschmettert, dann vergingen ihm die Sinne.
Die Überrumpelung war über die Räuber gekommen wie ein wirrer, angstvoller Traum; die Überraschung hielt ihre Kräfte gefangen, und der Fall ihres Anführers raubte ihnen sowohl den Zusammenhalt als auch den letzten Rest von Mut.
In diesem Augenblick öffnete sich die Luke und spie die gefangene Mannschaft des ‚l’Horrible‘ aus. Der erste, den der vorderste von diesen Leuten erblickte, war Lieutenant Jenner.
„Hurra, Lieutenant Jenner, hurra, drauf auf die Halunken!“ schrie er.
Ein jeder raffte von den umherliegenden Waffen auf, was ihm in die Hand kam; die Räuber gerieten zwischen zwei Treffen; sie waren verloren.
Zwei standen, Rücken an Rücken, mitten unter ihnen; wer ihnen zu nahe kam, büßte mit dem Tode. Es war Hammerdull und Holbers. Da drehte der letztere den Kopf zur Seite, damit er von dem Gefährten verstanden werde.
„Dick, wenn du denkst, daß dort der Schuft, der Peter Wolf steht, so habe ich nichts dagegen.“
„Der Peter – verdammter Name, ich bringe ihn niemals fertig. Wo denn!“
„Dort an dem Hickorybaum, den diese wunderlichen Leute Mast nennen.“
„Ob Mast oder nicht, das bleibt sich gleich. Komm, altes Coon, wir fangen ihn lebendig!“
Noch ein andrer hatte Letrier bemerkt, nämlich Peter Polter, der Steuermann. Dieser hatte Messer, Revolver und Enterbeil zur Seite getan und eine Handpeitsche ergriffen, die ihm geläufiger war. Jeder Hieb mit derselben streckte einen Mann nieder. So hatte er sich eine Strecke in den dicht zusammengedrängten Haufen der Räuber hineingekämpft, als er Letrier erblickte. Im nächsten Augenblick stand er vor ihm.
„Mille tonnerre , der Jean! Kennst du mich, Spitzbube?“ fragte er.
Der Gefragte ließ den erhobenen Arm sinken und wurde leichenblaß, er hatte einen Gegner erkannt, dem er nicht zur Hälfte gewachsen war.
„Komm her, mein Junge, ich will dir sagen, was die Glocke geschlagen hat!“
Er faßte ihn beim Schopf und bei den Hüften, riß ihn empor und schleuderte ihn mit solcher Macht an den Besan, um welchen das Handgemenge jetzt tobte, daß es laut krachte und er wie zerschmettert und zermalmt zur Erde stürzte. Die beiden Jäger kamen zu spät.
Nun endlich sahen die Piraten ein, daß nicht die leiseste Hoffnung mehr für sie vorhanden sei, und streckten die Waffen, obgleich sie auch dadurch ein Anrecht auf Gnade nicht erlangen konnten.
Ein vielstimmiges Hurra scholl über das Deck; die ‚Swallow‘ antwortete mit drei Kanonenschüssen; sie hatte ihren Ruf gerechtfertigt und ihren bisherigen Ehren eine neue, größere hinzugefügt. – – –
Und jetzt, Gentlemen, machen wir einen dritten Sprung; es ist der letzte, aber dafür auch der größte, denn er führt uns aus dem Stillen Meer nach dem Atlantischen Ozean, nämlich nach Hoboken, der Schwesterstadt von New York. Dort gibt es, grad so wie hier, auch eine liebe, gute Mutter Thick, die von den bei ihr verkehrenden Seeleuten hoch verehrt wird und das Gesicht eines jeden kennt, der einmal bei ihr gewesen ist. Die Gleichheit der Namen ist nichts Auffälliges, denn der amerikanische Seemann pflegt jede wohlbeleibte Wirtin gern ‚Mutter Thick‘ zu nennen. Von dieser Hobokener Wirtin war der Steuermann Peter Polters stets ein besonderer Lieblingsgast gewesen.
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