08 - Old Surehand II
die Hände fallen müsse.“
„Ja, ein Teufelskerl, dieser Parker.“ meinte Mutter Thick. „Weiter, weiter!“
„Das Widderschiff hat sich wirklich täuschen lassen und ist der ‚Swallow‘ bis in die Untiefen von Blackfoll gefolgt, wo es sich festgeritten hat. Nun erst hebt Parker die Stangen und Spieren, zieht die Leinwand auf, ruft den ‚l'Horrible‘ herbei und beginnt ein Bombardement auf den hilflosen Koloß, welches ihm den Rest gegeben hat. Einer der ersten Schüsse hat ihm das Steuer fortgenommen; es ist sogar zum Entern gekommen und dabei teufelsmäßig blutig hergegangen; aber die ‚Florida‘ liegt auf dem Grund, und die beiden andern sind bereits unterwegs und können jeden Augenblick hier Anker werfen.“
„Beinahe unglaublich! Wo hast du es her?“
„Hab's auf der Admiralität gehört, wo man es sicher schon seit längerer Zeit wüßte, wenn die Telegraphen nicht von den Rebellen zerstört worden wären.“
„Auf der Admiralität? Dann ist's auch wahr, und ich will es dem armen Jenner vom ‚l'Horrible‘ gönnen, daß es ihm auf diese Weise gelungen ist, die Scharte wegen des ‚Schwarzen Kapitäns‘ so leicht auszuwetzen.“
„Ja, das ist nun endlich einmal eine Kunde, die das Herz erfreut und die Seele erhebt“, meinte die Wirtin. „Hört, Jungens, ich werde euch ein Gratisfäßchen anstechen lassen; trinkt, so lange es euch schmeckt, auf das Wohl der Vereinigten Staaten, den Präsidenten, der ‚Swallow‘ und – und – und – –“
„Und auf das Wohl von Mutter Thick!“ rief einer, das Glas erhebend.
„Hoch, vivat Mutter Thick!“ antwortete es von allen Ecken und Enden.
„Hoch, Mutter Thick, vivat alte Schaluppe!“ rief auch eine dröhnende Baßstimme unter der geöffneten Tür.
Alle wandten sich nach dem Mann um, welcher eine so außerordentlich kräftige Kehle besaß. Kaum aber hatte die Wirtin ihn erblickt, so eilte sie mit einem Ausruf der freudigsten Überraschung auf ihn zu.
„Peter, Peter Polter, tausendmal willkommen in Hoboken! Wo kommst du denn her, alter Junge? Aus dem Westen?“
„Ja, tausendmal willkommen in Hoboken“, antwortete er. „Komm, ich muß dich wieder einmal in meine Arme quetschen; gib mir einen Kuß! Halte-là, heigh day, – heda, ihr Leute, laßt mich doch einmal hindurch. Komm her an meine Weste, mein Bijou!“
Er warf die im Wege Stehenden wie Spreu auseinander, faßte die Wirtin bei der umfangreichen Taille, hob sie trotz ihrer Schwere zu sich empor und drückte ihr einen schallenden Schmatz auf die Lippen.
Sie litt diese Liebkosung trotz der vielen Zeugen so ruhig, als sei dieselbe etwas ganz Alltägliches und Selbstverständliches, dann wiederholte sie die schon einmal ausgesprochene Frage nach dem Woher.
„Woher? Na, woher denn anders als auf der ‚Swallow‘ um Kap Horn herum?“
„Auf der ‚Swallow‘?“ rief es aus aller Lippen.
„Ja, wenn es euch recht ist, ihr Leute.“
„So wart Ihr auch mit gegen die ‚Florida‘?“
„Versteht sich! Oder meint ihr etwa, daß der Peter Polter aus Langendorf sich vor der ‚Florida‘ furchtet?“
„Erzählt, Master, erzählt! Was seid Ihr auf dem Schiff? Ist es schon hier oder –“
„Stopp! Euch fahren ja die Fragen aus dem Munde, wie die Jodler dem Schiffsjungen, wenn er Prügel bekommt. Ich werde euch meine Leine ganz nach der richtigen Ordnung abwickeln. Ich bin Peter Polter aus Langendorf, Hochbootsmannsmaat auf ihrer englischen Majestät Kriegsschiff ‚Nelson‘, dann Steuermann auf dem Vereinigten-Staaten-Klipper ‚Swallow‘, dann deutscher Polizeileutnant in der Prärie, nachher wieder Steuermann, und zwar par honneur auf der ‚Swallow‘, und bin nun jetzt – – –“
„Gut, gut, Peter“, fuhr ihm Mutter Thick dazwischen, „das hat nachher auch noch Zeit; vor allen Dingen aber komme ich mit meinen Fragen; die sind notwendiger als alles andere. Du hast mir von Valparaíso aus einen Brief geschrieben, in dem so viele Namen und Geschichten und Schreibfehler vorkamen, daß ich es mir anfänglich gar nicht zurechtlegen konnte. Wie steht es mit all den Leuten, die bei dir waren? Wo sind sie jetzt? Wie war es mit dem Wallerstein, dem Heinrich Sanders und Peter Wolf? Was ist's mit dem ‚l'Horrible‘ und dem ‚Schwarzen Kapitän‘? Ich denke, ihr suchtet ihn im Westen, und doch hörte ich, daß ihn die ‚Swallow‘ zur See gefangen hat! Habt ihr den Sam Fire-gun, oder wie er hieß, getroffen und war es auch der richtige Onkel? Wie steht es
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